Gustav Hertz

Gustav Hertz

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Gustav Hertz (1925)
Datei:Stamps of Germany (DDR) 1977, MiNr 2202.jpg
Gustav Hertz auf einer DDR-Briefmarke
Berliner Gedenktafel am Haus Fabeckstraße 11, in Berlin-Dahlem

Gustav Ludwig Hertz (* 22. Juli 1887 in Hamburg; † 30. Oktober 1975 in Ost-Berlin) war ein deutscher Physiker und Nobelpreisträger und ein Neffe des Physikers Heinrich Hertz.

Leben

Erste Jahre

Hertz wuchs in Hamburg auf und besuchte das Realgymnasium der Gelehrtenschule des Johanneums. Er studierte Physik mit dem Interessenschwerpunkt auf der sich neu entwickelnden Quantenmechanik in den damaligen Zentren der modernen Physik in Göttingen, München und Berlin. Nach seiner Promotion 1911 bei Heinrich Rubens an der Universität Berlin war er als Assistent am Physikalischen Institut der Universität Berlin tätig.[1]

Zusammen mit dem ebenfalls an der Berliner Universität lehrenden Physiker James Franck konzipierte er 1912/1913 Elektronenstoßversuche, die sich später als eine wesentliche Stütze der Bohrschen Atomtheorie und der Quantentheorie erwiesen und unter dem Namen Franck-Hertz-Versuch in die Geschichte eingehen sollten. 1925 erhielten beide dafür den Nobelpreis für Physik.

Im Ersten Weltkrieg

Ab 1914 nahm Hertz als Offizier am Ersten Weltkrieg teil und wurde 1915 zu der Spezialtruppe für Gaskampf, dem sogenannten Pionierregiment 35 unter Leitung Fritz Habers, abgeordnet.[2] Hertz nahm nicht am ersten Einsatz chemischer Waffen bei Ypern am 22. April 1915 teil, da er zu diesem Zeitpunkt einen anderen Frontabschnitt auf seine Tauglichkeit für Gasangriffe prüfte. Am 7. Juli 1915 wurde Hertz in Polen bei einem Gasangriff auf russische Truppen schwer verwundet, da sich während des Angriffs der Wind drehte und Hertz dadurch selber dem Gas ausgesetzt wurde. Nach mehrmonatigem Lazarettaufenthalt wurde Hertz aus der Armee entlassen.[3] 1917 habilitierte er sich mit einer Arbeit Über den Energieaustausch bei Zusammenstößen zwischen langsamen Elektronen und Gasmolekülen und war anschließend bis 1920 Privatdozent für Physik an der Universität Berlin.

In der Forschung

1920 übernahm Hertz für fünf Jahre die Leitung des Physikalischen Labors der Philips Glühlampenfabriken Eindhoven und beschäftigte sich dort mit der Physik der Gasentladung. Ab 1925 wirkte er als Professor für Physik an der Universität Halle. Nach der Verleihung des Nobelpreises für Physik 1925 erhielt Hertz 1927 einen Ruf an die Technische Hochschule Charlottenburg, wo er Ordinarius für Physik und Leiter des neu eingerichteten Physikalischen Instituts wurde.[4] 1931 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[5]

In der NS-Zeit verfolgt

1935 wurde ihm wegen jüdischer Vorfahren die Prüfungsberechtigung entzogen, worauf er auf sein Lehramt verzichtete. Zwar blieb er Honorarprofessor, zog einer „halben Professorenschaft“ jedoch die Tätigkeit als Direktor des Siemens & Halske-Forschungslabors II in Berlin vor. Seine Wohnung befand sich in Berlin-Dahlem, Fabeckstraße 11.[6] Am Forschungslabor beschäftigte er sich mit Diffusionstrennanlagen für leichte Isotope, die sich später als zentrale Technik im System der Uranbombenentwicklung erwiesen.

Als Atom-Forscher in der Sowjetunion

Aus diesem Grund wurde er mit Manfred von Ardenne, Max Steenbeck und anderen „Atom-Spezialisten“ im April 1945 von einer Spezialeinheit der Roten Armee nach Suchumi am Schwarzen Meer verbracht, wo Hertz ein Forschungslabor für die deutschen Spezialisten zu leiten hatte - nach transkribiertem Gertz Institut G genannt.[7]

Grab von Gustav Hertz auf dem Friedhof Ohlsdorf

Neben den Arbeiten Nikolaus Riehls zur Reinstdarstellung von Uran wurden die Gruppen seines Instituts in Suchumi, die Trennkaskaden zur 235U-Erzeugung erarbeiteten, mit hohen Preisen ausgezeichnet.

Rückkehr in die DDR

Seine Rückkehr bereits im Herbst 1954 war Bestandteil der Vorbereitungen der DDR auf den Wiedereinstieg in die Kerntechnik. Er übernahm diese Vorbereitungen und erhielt 1955 die Leitung des forschungspolitisch zentralen Wissenschaftlichen Rates für die friedliche Anwendung der Atomenergie beim Ministerrat der DDR. Sämtliche Vorbereitungen von der Konzentration der zerstreuten Institute bis zum Ausbau des neuen Dresdner Zentralinstitut für Kernforschung (heute Forschungszentrum Dresden-Rossendorf) wurden dort erarbeitet.

Ab 1954 war er außerdem Direktor des physikalischen Instituts an der Karl-Marx-Universität in Leipzig, Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR und Gründungsmitglied des Forschungsrates der DDR. 1958 wurde er als ausländisches Mitglied in die damalige Akademie der Wissenschaften der UdSSR aufgenommen.[8] Er erhielt hohe Auszeichnungen wie den Nationalpreis und war als Autor und Herausgeber eines dreibändigen Standardwerkes zur Kernphysik, dessen erster Band 1958 erschien, eine zentrale Persönlichkeit in der Entwicklung der Kernphysik in der DDR. 1975 starb er als einziger Nobelpreisträger, der jemals nach der Preisverleihung in der DDR wissenschaftlich tätig war, in Berlin.

Gustav Hertz ist auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg im Familiengrab, unter anderem mit Heinrich Hertz, begraben.

Ehrungen

  • Zusammen mit James Franck wurde Gustav Hertz 1925 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet
  • Mitglied der Leopoldina ab 1927
  • Gustav Hertz erhielt 1951 in der Sowjetunion den Stalinpreis.
  • 1959 wurde ihm die Helmholtz-Medaille der Akademie der Wissenschaften der DDR verliehen.
  • 1995 wurde zu Ehren von Gustav Hertz das Gustav-Hertz-Gymnasium in Leipzig-Heiterblick eröffnet.
  • Er ist Namensgeber des Gustav-Hertz-Preises der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) für herausragende Nachwuchswissenschaftler der Physik.

Familie

Hertz war ein Sohn des Hamburger Rechtsanwalts Gustav Theodor Hertz (1858–1904) und seiner Frau Anna Augusta geborene Arning. Seine Großväter waren der Senator Gustav Ferdinand Hertz sowie der Landgerichtspräsident Christian Arning.[9] Gustav Hertz war seit 1919 mit Ellen Dihlmann verheiratet.[10] Seine Söhne Carl Helmut Hertz und Johannes Heinrich Hertz wurden ebenfalls Physiker.[9] Während seiner Tätigkeit in der DDR hatte Gustav Hertz eine Wohnung in Berlin-Köpenick, Lienhardweg 47. Dort wurde eine Gedenktafel angebracht.[11]

Publikationen

  • Über das ultrarote Absorptionsspektrum der Kohlensäure in seiner Abhängigkeit von Druck und Partialdruck. Vieweg, Braunschweig 1911, OCLC 250285606 (Dissertation an der Universität Berlin, 5. Juli 1911, 39 Seiten, Referenten: Heinrich Rubens und Max Planck).

Literatur

  • Horst KantHertz, Gustav. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1, Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Stefan L. Wolff: Jüdische oder Nichtjüdische Deutsche? Vom öffentlichen Umgang mit Heinrich Hertz und seiner Familie im Nationalsozialismus. In: Ralph Burmester, Andrea Niehaus (Hrsg.): Heinrich Hertz vom Funkensprung zur Radiowelle. Deutsches Museum, Bonn 2012, ISBN 978-3-940396-33-4, S. 38–57.
  • Hartmann, W.: Gustav Hertz 80 Jahre. In: Gustav Hertz in der Entwicklung der modernen Physik – Festschrift zum 80. Geburtstag von Gustav Hertz am 22. Juli 1967. Akademie-Verlag, Berlin 1967, S. 5 - 8.

Weblinks

Commons: Gustav Hertz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gustav Hertz im Professorenkatalog der Universität Halle. Abgerufen am 30. Oktober 2015.
  2. Otto Hahn – Entdecker der Kernspaltung. pro-physik.de, Stand 16. August 2009.
  3. William Van der Kloot: April 1915: Five future Nobel prize-winners inaugurate weapons of mass destruction and the academic-industrial-military complex. (PDF) In: Notes & Records of the Royal Society of London. Band 58, Nr. 2 (2004) S. 149–160.
  4. TU Berlin über jüdische Wissenschaftler (Memento vom 28. November 2005 im Internet Archive)
  5. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751-2001. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 112.
  6. Hertz, Gustav. In: Berliner Adreßbuch, 1943, Teil 1, S. 1101.
  7. Siehe dazu den Artikel-Abschnitt: Werner Hartmann: 1945–1955: Das UdSSR-Jahrzehnt
  8. Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Gustav Ludwig Hertz. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 17. August 2015 (russisch).
  9. 9,0 9,1 Hertz II. In: Deutsches Geschlechterbuch. Band 216, 2003.
  10. Biografie von Gustav Hertz, School of Mathematical and Computational Sciences, University of St Andrews
  11. Institut für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR. Hauptstadt Berlin-II. Henschelverlag, Berlin 1984, S. 439.

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