Planeten und Asteroiden wiegen

Planeten und Asteroiden wiegen

Physik-News vom 23.10.2018
 

Ein Forscherteam des “International Pulsar Timing Array”-Konsortiums unter der Leitung von Wissenschaftlern am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie hat über Zeitreihenmessungen von Pulsaren die Massen des Zwergplaneten Ceres und anderer Asteroiden im Sonnensystem bestimmt. Das Resultat für die Masse von Ceres liegt bei 1,3% der Masse des Erdmonds. Das Team konnte die Massen der großen Planeten im Sonnensystem wesentlich genauer bestimmen als in früheren Messungen mit dieser Methode. Die Ergebnisse zeigen, welches Potential Zeitreihenmessungen von Pulsaren dafür haben, bisher unbekannte massereiche Objekte in Umlaufbahnen um die Sonne aufzuspüren.

Objekte in unserem Sonnensystem können mithilfe einer Methode gewogen werden, bei der Beobachtungsdaten von Pulsaren einer genauen Untersuchung unterzogen werden. Pulsare sind sehr schnell rotierende Sterne von geringem Durchmesser, die extrem regelmäßige “Pulse” im Radiobereich aussenden. Diese Technik, Pulsarankunftszeiten zur Massenbestimmung von Planeten zu nutzen, wurde erstmalig im Jahr 2010 von einem Forscherteam unter der Leitung von David Champion vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) angewandt. Sie beruht auf der extrem präzisen Zeitreihenbestimmung einer großen Anzahl von Millisekundenpulsaren.


Erde, Mond und Zwergplanet Ceres im Vergleich. Aus der Analyse der Zeitreihenmessungen von Pulsaren ergibt sich für Ceres eine Masse von 4.7×10-10 Sonnenmassen; das sind 1,3% der Masse des Erdmonds.

Publikation:


R. N. Caballero et al.
Studying the solar system with the International PulsarTiming Array
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society

DOI: 10.1093/mnras/sty2632



Die Astronomen zeichnen bei dieser Methode die gebündelte Radiostrahlung dieser Objekte auf, die als periodische Pulse ähnlich den Lichtsignalen von Leuchttürmen mit Radioteleskopen erfasst werden. Im Gegensatz zur Lichtquelle in Leuchttürmen rotieren diese Himmelsobjekte jedoch mit enormer Geschwindigkeit, mit Umlaufzeiten bis zu nur wenigen Millisekunden. Sie bilden aufgrund ihrer gewaltigen Schwungmasse die ganggenauesten Uhren unter den Himmelskörpern im Universum. Beobachtungen mit den größten Radioteleskopen der Erde sind erforderlich, um die schwachen Signale von diesen Objekten zu erfassen.


Radioteleskope im Rahmen des “International Pulsar Timing Array” (IPTA). Im Uhrzeigersinn startend von oben links: Effelsberg, Nancay, Arecibo, Parkes, Lovell-Teleskop, Westerbork und GBT.

“Mit ausgeklügelten Modellen für ihre Rotation können wir die Ankunftszeit der Pulse von Millisekundenpulsaren auf eine Genauigkeit von nur einigen hundert Nanosekunden über Jahrzehnte hinweg bestimmen. Das ermöglicht es uns, sie als hochgenaue Uhren für eine Vielzahl von unterschiedlichen Anwendungen zu nutzen”, sagt der Erstautor Nicolas Caballero der diese Untersuchung im Rahmen seiner Doktorarbeit am MPIfR vorgenommen hat und inzwischen seine Forschungen am Kavli Institut für Astronomie und Astrophysik an der Universität Peking fortsetzt.

Die Bahnbewegung der Erde um die Sonne erschwert die direkte Verwendung der aufgezeichneten Ankunftszeiten der Pulse am Radioteleskop. Die Astronomen umgehen dieses Problem, indem sie die Ankunftszeiten auf ein gemeinsames Bezugssystem umrechnen, das auf dem Massenzentrum des gesamten Sonnensystems, dem sogenannten Baryzentrum, basiert.

“Wir sind dabei auf Ergebnisse angewiesen, die wir von unseren Kollegen aus der planetaren Astronomie erhalten. Diese berechnen aus einer Fülle von Daten, unter Einbeziehung der Vorbeiflüge von Raumfahrzeugen, Ephemeriden für unser Sonnensystem, welche die Umlaufbahnen von Planeten, Monden und Asteroiden beschreiben”, sagt Nicolas Caballero.

Wenn in diese Ephemeridenberechnung ein falscher Massenwert für die Masse eines Körpers einfließt, dann verschiebt sich die Position des Baryzentrums, was umgekehrt betrachtet periodische Verzögerungen oder Beschleunigungen in der erwarteten Ankunftszeit der Pulse von den Pulsaren erzeugt. Vergleicht man diese Erwartungen mit den tatsächlichen Pulsarmessungen, kann man die korrekten Massen der Körper bestimmen.

Unter Verwendung der aktuellsten Beobachtungsdaten vom “International Pulsar Timing Array” (IPTA) ist es den Pulsar-Astronomen gelungen, solche Massenabweichungen um eine Größenordnung genauer bestimmen zu können als bei der vorhergehenden Untersuchung aus dem Jahr 2010. Bezogen auf die Entfernung des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter ergeben die Beobachtungsdaten eine Empfindlichkeit von nur noch 0.0003% der Erdmasse.

Der Asteroid Ceres, der erst kürzlich als Zwergplanet eingestuft wurde, ist das massereichste Objekt im Asteroidengürtel. Aus der Zeitreihenanalyse der Pulsardaten ergibt sich ein Wert von 4.4 × 10-10 Sonnenmassen (entsprechend 1.3% der Masse des Erdmonds) für Ceres. Diese Genauigkeit liegt eine Größenordnung unter den bisher besten Schätzungen. Die vorliegende Veröffentlichung enthält zudem noch Massenbestimmungen für vier weitere Asteroiden.

“Wir sind jetzt in der Lage, die Massen von Ceres und weiteren massereichen Asteroiden abzuleiten”, sagt David Champion. “Das zeigt die Verbesserungen unserer Beobachtungen bezogen auf die zwei hier relevanten Aspekte der Präzision und der Empfindlichkeit.”

“Unser derzeitiger Datensatz erstreckt sich über zwei Jahrzehnte und ist das Resultat einer hochgenauen und kontinuierlichen Arbeit über viele Jahre”, erklärt Michael Kramer, Leiter der Forschungsabteilung “Radioastronomische Fundamentalphysik” am MPIfR und ebenfalls Ko-Autor der Veröffentlichung. “Hinter dem kontinuierlichen Erfolg der Zeitreihenanalyse von Pulsarsignalen steht die Arbeit von Hunderten von Wissenschaftlern und Ingenieuren aus der ganzen Welt.”

Die hier vorliegende Untersuchung geht über die Massenbestimmung bereits bekannter Planeten und Asteroiden hinaus. Durch die Anwendung einer Methode, die bereits früher in einer Veröffentlichung unter der Leitung von Yanjun Guo vorgestellt wurde, hat das internationale IPTA-Konsortium nach zusätzlichen Massen im Sonnensystem gesucht, die bisher nicht in die Ephemeriden eingegangen sind. Damit konnten obere Grenzwerte für die Massen solcher Objekte in Umlaufbahnen um die Sonne angegeben werden.

“Es ist bis jetzt eine Vorstudie, bei der wir nur unbekannte Himmelskörper in ungestörten exzentrischen Umlaufbahnen berücksicht haben. Sie zeigt aber bereits die aufregenden Möglichkeiten, die die Zeitreihenanalyse von Pulsarsignalen für die Untersuchung des Sonnensystems eröffnet, angefangen beim theoretisch vorhergesagten neunten Planeten bis hin zu Dunkler Materie in der Nachbarschaft der Sonne”, stimmen Yanjun Guo und Erstautor Nicolas Caballero überein.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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