Sauerstoff-Ionen in Jupiters innersten Strahlungsgürteln

Sauerstoff-Ionen in Jupiters innersten Strahlungsgürteln


In den inneren Strahlungsgürteln des Jupiters finden Forscher hochenergetische Sauerstoff- und Schwefel-Ionen – und eine bisher unbekannte Ionenquelle.

Fast 20 Jahre nach dem Ende der NASA-Mission Galileo zum Jupiter haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen den umfangreichen Datensätzen der Mission ein neues Geheimnis entlockt. Das Forscherteam konnte erstmals zweifelsfrei bestimmen, dass es sich bei den hochenergetischen Ionen, die den Gasriesen als Teil seiner inneren Strahlungsgürtel umgeben, in erster Linie um Sauerstoff- und Schwefel-Ionen handelt. Sie dürften ihren Ursprung in Vulkanausbrüchen auf dem Jupitermond Io haben. In der Nähe der Umlaufbahn des weiter innen kreisenden Mondes Amalthea entdeckte das Team zudem eine unerwartete hohe Konzentration hochenergetischer Sauerstoff-Ionen, die sich nicht durch Ios vulkanische Aktivität erklären lässt. Hier muss eine bisher unbekannte Ionenquelle am Werk sein. Die Ergebnisse der Studie sind gestern in der Fachzeitschrift Science Advances erschienen.


Ein Blick auf die inneren Strahlungsgürtel des Jupiters.

Planeten wie Erde, Jupiter und Saturn, die ein eigenes, globales Magnetfeld besitzen, sind von so genannten Strahlungsgürteln umgeben: Eingefangen im Magnetfeld sausen dort schnelle, geladene Teilchen wie Elektronen, Protonen und schwerere Ionen umher und bilden so die unsichtbaren, torusförmigen Strahlungsgürtel. Mit ihren hohen Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit können die Teilchen andere Moleküle bei Zusammenstoßen ionisieren und erzeugen somit eine lebensfeindliche Umgebung, die auch Raumsonden und ihren Instrumenten gefährlich werden kann. Die in dieser Beziehung extremsten Strahlungsgürtel des Sonnensystems umhüllen den Gasriesen Jupiter. In ihrer aktuellen Veröffentlichung legen die Forscherinnen und Forscher vom MPS, dem California Institute of Technology (USA), dem Johns Hopkins Applied Physics Laboratory (USA), dem Laboratory of Instrumentation and Experimental Particle Physics (Portugal) und der Akademie von Athen (Griechenland) nun die bisher aussagekräftigste Untersuchung der schweren Ionen in den inneren Strahlungsgürteln des Jupiters vor.

Publikation:


Elias Roussos, Christina Cohen, Peter Kollmann, Marco Pinto, Norbert Krupp, Patricia Goncalves, Konstantinos Dialynas
A source of very energetic oxygen located in Jupiter’s inner radiation belts
Science Advances (2022)

DOI: 10.1126/sciadv.abm4234

Wie das gewaltige Magnetfeld des Jupiters reichen auch seine Strahlungsgürtel mehrere Millionen Kilometer weit ins All; allerdings ist die Region innerhalb der Umlaufbahn des Mondes Europa, also ein Bereich mit einem Radius von etwa 670.000 Kilometern um den Gasriesen, Schauplatz der höchsten Teilchendichten und -geschwindigkeiten. Vom Jupiter aus betrachtet ist Europa nach Io der zweite der vier großen, nach ihrem Entdecker als Galileische Monde bezeichneten Jupiter-Trabanten. Mit den Raumsonden Pioneer 11 Mitte der 70er Jahre, Galileo von 1995 bis 2003 und derzeit Juno haben sich bisher drei Weltraummissionen in diesen innersten Bereich der Strahlungsgürtel vorgewagt und vor Ort Messungen durchgeführt. „Leider lässt sich aus den Messdaten von Pioneer 11 und Juno nicht zweifelsfrei schließen, welche Art von Ionen die Raumsonden dort angetroffen haben“, beschreibt Dr. Elias Roussos vom MPS, Erstautor der aktuellen Studie, den Forschungsstand. „Auch ihre Energien und ihr Ursprung waren deshalb bisher unklar“, fügt er hinzu. Erst die nun wiederentdeckten Messdaten aus den letzten Monaten der Galileo-Mission konnten Abhilfe schaffen.

Vordringen in die inneren Strahlungsgürtel

1995 erreichte die NASA-Raumsonde Galileo das Jupitersystem. Ausgerüstet mit den Instrumenten Heavy Ion Counter (HIC), das vom California Institute of Technology zur Verfügung gestellt wurde, und Energetic Particle Detector (EPD), das vom Johns Hopkins Applied Physics Laboratory in Zusammenarbeit mit dem MPS entwickelt und gebaut wurde, lieferte die Mission in den folgenden acht Jahren grundlegende Erkenntnisse zur Verteilung und Dynamik der geladenen Teilchen in der Umgebung des Gasriesen. Um die Raumsonde zu schützen, durchflog sie jedoch zunächst nur die äußeren, weniger extremen Regionen der Strahlungsgürtel. Erst 2003 kurz vor Ende der Mission, als ein größeres Risiko einzugehen vertretbar war, drang Galileo in den inneren Bereich vor und erreichte gar die Umlaufbahnen der inneren Monde Amalthea und Thebe. Vom Jupiter aus betrachtet sind Amalthea und Thebe der dritte und vierte Mond des riesigen Planeten. Die Umlaufbahnen von Io und Europa verlaufen weiter außen.

„Eigentlich war damit zu rechnen, dass die Messdaten von HIC und EPD aus dem inneren Bereich des Strahlungsrings wegen der hohen Strahlenbelastung kaum brauchbar sein würden. Schließlich wurde keines der beiden Instrumente speziell für den Einsatz in einer derart rauen Umgebung entwickelt“, beschreibt Roussos seine Erwartungen, als er vor drei Jahren begann, an der aktuellen Studie zu arbeiten. Dennoch wollte sich der Forscher selbst überzeugen. Als Mitglied der NASA-Mission Cassini hatte er zwei Jahre zuvor die letzten, ähnlich gewagten Flugmanöver von Cassini am Saturn miterlebt und die einzigartigen Daten aus dieser letzten Missionsphase ausgewertet. „Der Gedanke an die längst abgeschlossene Mission Galileo lag da nahe“, erinnert sich Roussos. Zu seiner eigenen Überraschung fanden sich zwischen vielen unbrauchbaren Messungen auch einige, die sich mit viel Mühe auswerten ließen.

Rätselhafte Sauerstoff-Ionen

Mit Hilfe dieses wissenschaftlichen Schatzes konnten die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie nun erstmals die Art der Ionen innerhalb der inneren Strahlungsgürtel bestimmen sowie ihre Geschwindigkeiten und räumliche Verteilung. Anders als in den Strahlungsgürteln von Erde und Saturn, in denen vor allem Protonen vorkommen, finden sich in der Region innerhalb der Umlaufbahn des Jupitermondes Io auch große Mengen der deutlich schwereren Sauerstoff- und Schwefel-Ionen, wobei von beiden die Sauerstoff-Ionen überwiegen. „Die Energieverteilung der schweren Ionen außerhalb der Umlaufbahn von Amalthea deutet daraufhin, dass sie größtenteils von weiter außen eingetragen werden“, so Roussos. Als Quellen kommen vor allem der Mond Io selbst in Frage, dessen mehr als 400 aktive Vulkane immer wieder große Mengen an Schwefel und Schwefeldioxid ins All schleudern, und in geringerem Maße der Mond Europa.

Weiter innen, innerhalb der Umlaufbahn von Amalthea, ändert sich die Ionen-Zusammensetzung dramatisch zu Gunsten von Sauerstoff. „Die Konzentration und die Energie der Sauerstoff-Ionen ist dort deutlich höher als erwartet“, so Roussos. Dabei müsste die Ionen-Konzentration in diesem Bereich eigentlich abnehmen. Denn die Monde Amalthea und Thebe absorbieren von außen eindringende Ionen; ihre Umlaufbahnen bilden somit eine Art natürliche Ionen-Barriere. Dieses Phänomen ist aus den Strahlungsgürteln des Saturnsystems mit seinen vielen Monden bekannt.

Einzige Erklärung für die erhöhte Konzentration an Sauerstoff-Ionen ist deshalb eine andere, lokale Quelle im innersten Bereich der Strahlungsgürtel. So könnten etwa Zusammenstöße von Schwefel-Ionen mit den feinen Staubteilchen der Jupiterringe Sauerstoff freisetzen. Die im Vergleich zum Saturn deutlich unscheinbareren Ringe reichen in etwa bis zur Umlaufbahn von Thebe hinaus. Simulationen der Forscherinnen und Forscher zeigen, dass dieser Prozess den Sauerstoff-Ionen-Fund erklären könnte. Ebenfalls denkbar wäre, dass niederfrequente elektromagnetische Wellen in der Umgebung der innersten Strahlungsgürtel Sauerstoff-Ionen auf die beobachteten Energien aufheizen könnten.

„Aktuell lässt sich nicht zugunsten einer von beiden möglichen Quellen unterscheiden“, so Roussos. Beide möglichen Mechanismen weisen jedoch Parallelen zur Erzeugung hochenergetischer Teilchen in stellaren oder extrasolaren Umgebungen auf. Roussos hofft, dass diese Tatsache die künftige Erforschung durch eine speziell dafür vorgesehene Weltraummission rechtfertigt.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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