Massereiche Sternembryos wachsen in Schüben

Massereiche Sternembryos wachsen in Schüben

Physik-News vom 13.07.2020
 

Die Versorgung von massereichen Sternembryos mit Nahrung aus ihrer umgebenden Scheibe aus Gas und Staub war lange Zeit ein Rätsel. Ein internationales Forschungsteam, an dem das Max-Planck-Institut für Astronomie beteiligt ist, hat nun eine Spiralstruktur in solch einer Scheibe entdeckt, in dessen Zentrum ein wachsender Stern von etwa 12 Sonnenmassen eine dramatische Helligkeitszunahme erfahren hat. Diese Spirale bestätigt die Vermutung, dass solche Scheiben zeitweilig instabil werden und deswegen teilweise in kompakte Pakete zerfallen. Diese füttern den jungen Stern häppchenweise, was sich in Episoden von stark ansteigender Leuchtkraft bemerkbar macht.

Massereiche Sterne, also Sterne, deren Masse mindestens dem Achtfachen der Sonne entspricht, unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den massearmen Sternen, zu denen auch die Sonne zählt. So konnten sich Astronomen lange Zeit nicht befriedigend erklären, wie das Material, das die Protosterne – also die noch jungen, unfertigen Sterne – wachsen lässt, den enormen Strahlungsdruck überwinden kann. Eine aktuelle Untersuchung unter der Leitung von Xi Chen (Guangzhou University und Shanghai Astronomical Observatory, China) und Andrej Sobolev (Ural Federal University, Russland), an der auch das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg beteiligt ist, hat nun einen wichtigen Schritt zur Klärung dieses Rätsels geschafft.


Künstlerische Darstellung der unmittelbaren Umgebung des massereichen Protosterns G358-MM1.

Publikation:


Chen et al.
New maser species tracing spiral-arm accretion flows in a high-mass young stellar object
Nature Astronomy (2020)

DOI: 10.1038/s41550-020-1144-x



Als Teil der weltweit kooperierenden Maser Monitoring Organization (M2O) entdeckten die Forscher in der Umgebung des 22.000 Lichtjahre entfernten massereichen Protosterns G358-MM1 eine Spiralstruktur, die Teil einer Scheibe aus Gas und Staub ist, die den Protostern umgibt. Wissenschaftler sagen dieses Phänomen theoretisch für massereiche Scheiben vorher, von denen Astronomen vermuten, dass sie sich bevorzugt bei der Entstehung von massereichen Sternen bilden. Dabei fällt ständig neues Material aus einer weiter außen liegenden Hülle aus Gas und Staub auf die Scheibe auf und lässt sie weiter wachsen. Derzeit hat sie einen Durchmesser von 1340 AE (1 AE = 1 Astronomische Einheit = 149,6 Mio km).


Die Grafiken zeigen die Form der Spirale wie sie aus den Messungen der Maser rekonstruiert wurde.

Materiepakete aus massereichen Scheiben füttern massereiche Protosterne

Die Gravitationswirkung des zentralen Sterns beeinflusst solche massereichen Scheiben nur zum Teil. Stattdessen wirkt die Gravitation der Scheibe selbst maßgeblich auf ihre Stabilität ein, so dass die Materie auf Bahnen geleitet wird, die zur Ausprägung einer Spirale führen. Eine weitere Konsequenz der Instabilität ist, dass die Scheibe zum Teil in dichte, kompakte Pakete aus Gas und Staub zerfällt. Diese überstehen den Sturz auf den leuchtstarken massereichen Protostern trotz des immensen Strahlungsdrucks und führen so zu einem schubweisen Wachstum. Dieser Prozess, den Astronomen Akkretion nennen, lässt die Leuchtkraft des Protosterns vorübergehend stark ansteigen.

Wegen der dichten Scheibe ist die Zunahme der Helligkeit jedoch nur schwer zu beobachten. Der Nachweis erfolgte bei G358-MM1 einerseits durch die Messung von Fern-Infrarotstrahlung, die durch das Aufheizen der Scheibe freigesetzt wird. Ein technisch einfacherer Nachweis ist die Detektion von Maserstrahlung. Maser sind das Pendant zu Lasern, die jedoch statt sichtbarem Licht Mikrowellenstrahlung – oder Radiostrahlung – abgeben. Sie kommen in massereichen Sternentstehungsgebieten als natürliche, sehr helle und kompakte Strahlungsquellen vor. In einer früheren Studie hatten die Astronomen das vorübergehende Aufflammen von Maseremission in G358-MM1 als Hinweis auf eine Hitzewelle identifiziert, die durch die Scheibe lief.

In der aktuellen Studie verriet sich die Spiralstruktur ebenfalls durch Masersignale, die auch hier durch einen zeitweiligen starken Anstieg der Strahlungsleistung verursacht wurde, hervorgerufen von einem neuerlichen Akkretionsschub. Die Wissenschaftler modellierten aus den Positionen und Geschwindigkeitsinformationen der detektierten Maser nicht nur die Form der zugrundliegenden Konfiguration, sondern folgerten, dass Materie entlang der Spiralarme von den äußeren Bereichen der Scheibe nach Innen strömt und von dort allmählich den Protostern füttert, dessen Masse sie auf etwa 12 Sonnenmassen bestimmten.

Zusammenhang zwischen schubweiser Akkretion und instabiler Scheibe

„G358-MM1 ist damit das erste Exemplar eines massereichen Protosterns, dessen kurzzeitiger Helligkeitsanstieg eindeutig mit der Ausprägung einer Spirale zusammenfällt, einer Struktur, die für eine instabile, massereiche Scheibe spricht“, erläutert Xi Chen. In Verbindung mit theoretischen Modellen kann somit erstmals ein direkter Zusammenhang zwischen der Variation der Leuchtkraft und der Akkretion von einzelnen Materiepaketen aus einer instabilen, massereichen Scheibe hergestellt werden. „Dieses Resultat legt nahe, dass die durch Scheiben vermittelte Akkretion daher als ein üblicher Mechanismus der Sternentstehung von massearmen bis massereichen Sternen angesehen werden könnte“, stellt Xi Chen fest.

Eine weitere Überraschung war die Art der Maser. Bislang fand man in den Scheiben mit Akkretionstätigkeit hauptsächlich Maserstrahlung des Methanolmoleküls, welches durch die erhöhte Infrarotstrahlung angeregt wird. Die Maser in der Spirale waren jedoch etwas völlig Neues. Einerseits beruhte diese Strahlung auf einer besonderen Form des Methanols, bei dem ein gewöhnliches Kohlenstoffatom durch ein schwereres Kohlenstoff-Isotop ausgetauscht ist, das ein Neutron mehr als üblich aufweist. Andererseits fanden die Wissenschaftler dort Maseraktivität von schwerem Wasser.

Dieses trägt statt eines Wasserstoffatoms ein Deuteriumatom in sich. „Die genauen Ursachen für die Anregung gerade dieser Moleküle wollen die Astronomen noch ermitteln“, erklärt Hendrik Linz vom MPIA, der an der Studie beteiligt war. „Allerdings zeigt dies, dass die Bedingungen in diesen Spiralarmen und damit in den massereichen Scheiben außergewöhnlich sein müssen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Astronomie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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