Galaxien-Entstehung ohne Dunkle Materie simuliert

Galaxien-Entstehung ohne Dunkle Materie simuliert


Erstmals haben Forscher der Universitäten Bonn und Straßburg die Bildung von Galaxien in einem Universum simuliert, das ohne Dunkle Materie auskommt. Für die Nachstellung dieses Prozesses am Rechner haben sie stattdessen Newtons Gravitationsgesetze modifiziert. Die Galaxien, die in der Computerberechnung entstanden, ähneln denen, die wir heute tatsächlich sehen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ihre Annahmen viele Rätsel der modernen Kosmologie lösen könnten. Die Ergebnisse erscheinen im „Astrophysical Journal“.

Kosmologen gehen heute davon aus, dass die Materie nach dem Urknall nicht ganz gleichmäßig verteilt war. Die dichteren Stellen zogen aufgrund ihrer stärkeren Gravitationskräfte immer mehr Materie aus ihrer Umgebung an. Im Laufe von mehreren Milliarden Jahren bildeten sich aus diesen Ansammlungen aus Staub und Gas schließlich die Galaxien, die wir heute sehen.


Die Verteilung des Materiegases 1,5 Milliarden Jahre nach dem Start der Simulation. Je heller die Farbe, desto höher ist die Dichte des Gases. Die hellblauen Punkte zeigen junge Sterne.

Publikation:


Nils Wittenburg, Pavel Kroupa und Benoit Famaey
The formation of exponential disk galaxies in MOND
Astrophysical Journal

Eine wichtige Zutat dieser Theorie ist die so genannte Dunkle Materie. Sie soll einerseits für die anfängliche Ungleichverteilung verantwortlich sein, die zur Zusammenballung der Gaswolken führte. Außerdem erklärt sie einige rätselhafte Beobachtungen. So bewegen sich Sterne in rotierenden Galaxien häufig so schnell, dass sie eigentlich aus ihnen heraustreiben sollten. Es scheint also in den Galaxien eine zusätzliche Gravitations-Quelle zu geben, die das verhindert – eine Art „Sternen-Kitt“, der mit Teleskopen nicht zu sehen ist: die Dunkle Materie.

Ein direkter Nachweis für ihre Existenz steht aber noch aus. „Eventuell verhalten sich die Gravitationskräfte selbst einfach anders als bislang gedacht“, erklärt Prof. Dr. Pavel Kroupa vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn und dem Astronomischen Institut der Karls-Universität in Prag. Diese Theorie trägt das Kürzel MOND (MOdifizierte Newton'sche Dynamik); sie wurde vom israelischen Physiker Prof. Dr. Mordehai Milgrom entdeckt. Nach ihr gehorcht die Anziehung zwischen zwei Massen nur bis zu einem bestimmten Punkt den Newton'schen Gesetzen. Bei sehr kleinen Beschleunigungen, wie sie in Galaxien vorherrschen, wird sie dagegen erheblich stärker. Daher reißen Galaxien durch ihre Drehgeschwindigkeit auch nicht auseinander.

Ergebnisse nahe an der Realität

„Wir haben nun in Zusammenarbeit mit Dr. Benoit Famaey in Straßburg erstmals simuliert, ob sich in einem MOND-Universum Galaxien bilden würden und wenn ja, welche“, sagt Kroupas Doktorand Nils Wittenburg. Dazu nutzte er ein Computerprogramm für die komplexen Gravitationsberechnungen, das in Kroupas Gruppe entwickelt wurde. Denn die Anziehungskraft eines Körpers hängt bei MOND nicht nur von seiner eigenen Masse ab, sondern auch davon, ob sich andere Objekte in seiner Nähe befinden.

Mit dieser Software simulierten die Wissenschaftler dann – ausgehend von einer Gaswolke einige hunderttausend Jahre nach dem Urknall – die Entstehung von Sternen und Galaxien. „Unsere Ergebnisse sind in vielen Aspekten bemerkenswert nahe zu dem, was wir mit Teleskopen wirklich beobachten“, erläutert Kroupa. So folgen die Verteilung und Geschwindigkeit der Sterne in den computergenerierten Galaxien demselben Muster, das auch am Nachthimmel zu sehen ist. „In unserer Simulation bildeten sich zudem vor allem rotierende Scheiben-Galaxien wie die Milchstraße und fast alle anderen großen Galaxien, die wir kennen“, sagt der Wissenschaftler. „In Dunkle-Materie-Simulationen entstehen dagegen überwiegend Galaxien ohne ausgeprägte Materie-Scheiben – eine Diskrepanz zu den Beobachtungen, die schwer zu erklären ist.“

Berechnungen, die von der Existenz Dunkler Materie ausgehen, seien zudem sehr empfindlich gegenüber Änderungen bestimmter Parameter – etwa der Entstehungshäufigkeit von Supernovae und deren Auswirkung auf die Materieverteilung in Galaxien. In der MOND-Simulation spielten diese Faktoren dagegen kaum eine Rolle.

Allerdings stimmen auch die jetzt publizierten Ergebnisse aus Bonn, Prag und Straßburg nicht in allen Punkten mit der Realität überein. „Unsere Simulation ist nur ein erster Schritt“, betont Kroupa. So haben die Wissenschaftler bislang nur sehr einfache Annahmen getroffen, was die ursprüngliche Verteilung der Materie und die Bedingungen im jungen Universum angeht. „Wir müssen die Berechnungen nun wiederholen und dabei auch komplexere Einflussfaktoren einbeziehen. Dann werden wir sehen, ob die MOND-Theorie die Realität tatsächlich erklärt.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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