Extrem klein und schnell: Laser zündet heißes Plasma

Extrem klein und schnell: Laser zündet heißes Plasma

Physik-News vom 18.09.2018
 

Feuert man Lichtpulse aus einer extrem starken Laseranlage auf Materialproben, reißt das elektrische Feld des Lichts die Elektronen von den Atomkernen ab. Für Sekundenbruchteile entsteht ein Plasma. Dabei koppeln die Elektronen mit dem Laserlicht und erreichen beinahe Lichtgeschwindigkeit. Beim Herausfliegen aus der Materialprobe ziehen sie die Atomrümpfe (Ionen) hinter sich her. Um diesen komplexen Beschleunigungsprozess experimentell untersuchen zu können, haben Forscher aus dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) eine neuartige Diagnostik für innovative laserbasierte Teilchenbeschleuniger entwickelt.

„Unser Ziel ist ein ultrakompakter Beschleuniger für die Ionentherapie, also die Krebsbestrahlung mit geladenen Teilchen“, so der Physiker Dr. Thomas Kluge vom HZDR. Neben Kliniken könnten Universitäten und Forschungseinrichtungen von der neuen Beschleunigertechnologie profitieren. Vor der Nutzungsreife ist jedoch noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten. So werden mit dem DRACO-Laser am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf derzeit Energien von rund 50 Megaelektronenvolt erreicht. Um einen Tumor mit Protonen (den leichtesten Ionen) zu bestrahlen, benötigt man 200 bis 250 Megaelektronenvolt. Aufgrund seiner ultrakurzen Pulse im Bereich weniger Femtosekunden – in dieser Zeit durchquert ein Lichtstrahl gerade mal den Bruchteil eines menschlichen Haars – erreicht der DRACO-Laser eine Leistung von knapp einem Petawatt. Das entspricht dem Hundertfachen der weltweit erzeugten, mittleren elektrischen Leistung.


Während der ultrakurz gepulste Hochleistungslaser des SLAC (rot) das Plasma erzeugt, zeigen die Streubilder des Röntgenlasers (blau) die komplexen Beschleunigungsprozesse auf (unten).

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„Wir müssen die einzelnen Vorgänge bei der Beschleunigung von Elektronen und Ionen noch viel besser verstehen“, betont Kluge. Gemeinsam mit Kollegen aus Dresden, Hamburg, Jena, Siegen und aus den USA gelang es nun erstmalig, quasi live diese extrem schnell ablaufenden Prozesse am Nationalen Beschleunigerlabor SLAC der amerikanischen Universität Stanford zu beobachten. Dazu benötigen die Wissenschaftler zeitgleich zwei besondere Laser.


HZDR-Forscher berechnen und beobachten die Entwicklung der Plasmadichte nach der Bestrahlung eines Silizium-Gitters mit dem Hochintensitäts-Kurzpulslaser des SLAC (USA).

Der Hochintensitäts-Laser am SLAC verfügt über eine Leistung von immerhin rund 40 Terawatt – ist also etwa 25-fach schwächer als DRACO. Beim Auftreffen auf die Materialprobe (Target) zündet er das Plasma. Der zweite Laser ist ein Röntgenlaser, mit dem sich die einzelnen Prozesse genau aufzeichnen lassen: von der Ionisation der Teilchen im Target und der Expansion des Plasmas über die auftretenden Plasma-Oszillationen und Instabilitäten beim Heizen der Elektronen auf einige Millionen Grad Celsius bis hin zur effizienten Beschleunigung der Elektronen und Ionen.

„Mit der Methode der Kleinwinkel-Streuung haben wir Messungen im Femtosekunden-Bereich und auf Skalen von wenigen Nanometer bis hin zu einigen hundert Nanometer realisiert“, berichtet Melanie Rödel, die als HZDR-Doktorandin federführend am Experiment beteiligt war. Mehrjährige Arbeiten waren nötig, um diese Bereiche zu erschließen und saubere Signale auf den Streubildern des Röntgenlasers zu erhalten. „Die neue Diagnostik für laserbasierte Beschleuniger hat unsere Erwartungen an die räumliche und zeitliche Auflösung hervorragend bestätigt. Damit haben wir das Fenster für die direkte Beobachtung plasmaphysikalischer Prozesse in Echtzeit geöffnet“, freut sich Dr. Josefine Metzkes-Ng, Leiterin einer der beteiligten Nachwuchsgruppen am Institut für Strahlenphysik des HZDR.

Ab 2019 steht ein Experimentieraufbau der nächsten Generation mit einem deutlich leistungsstärkeren Kurzpuls-Laser an der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) zur Verfügung, die das HZDR derzeit im Rahmen einer internationalen Kollaboration am weltstärksten Röntgenlaser European XFEL in der Nähe von Hamburg aufbaut.

Hohe Elektronendichte dank Fingerstruktur

Ein besonderer Aha-Effekt der erfolgreichen Experimente war für die beteiligten Physiker ein spezielles Detail aus ihren Berechnungen. „Unsere Targets wurden am Ionenstrahlzentrum des HZDR speziell entwickelt, damit sie an der Oberfläche eine Art winzige Fingerstruktur aufweisen. Der Laserstrahl streut an dieser Struktur, sodass besonders viele Elektronen aus den Ecken beschleunigt werden und sich überkreuzen“, führt Thomas Kluge aus. Dass dieses durch die Berechnungen vorhergesagte Detail im Experiment zu entdecken war – immerhin läuft es in einer Zeitspanne von nur zehn Femtosekunden ab –, schürt Hoffnungen. Etwa darauf, weitere spontane Musterbildungen (Instabilitäten) beobachten zu können. Diese können zum Beispiel durch die Schwingung der Elektronen im elektromagnetischen Feld des Lasers entstehen.

Dabei geht es den Forschern zum einen darum, Instabilitäten zu identifizieren, die die Beschleunigung der Elektronen und Ionen stören – um diese etwa durch die Auswahl geeigneter Targets zu vermeiden. „Wir wissen aus unseren Simulationen aber auch, dass Instabilitäten die Effizienz des Beschleunigungsvorgangs sogar erhöhen können“, erläutert der Physiker. „In unseren Simulationen konnten wir etwa die Raleigh-Taylor-Instabilität identifizieren.“ Diese führt dazu, dass der optische Laser mehr Energie in das von ihm erzeugte Plasma überträgt. Solche ‚positiven‘ Instabilitäten könnten also eine wichtige Stellschraube sein, um den über die Elektronen vermittelten Prozess der Ionenbeschleunigung zu optimieren.

Von der neuen HIBEF-Anlage erwarten sich die Laserexperten viele weitere Aufschlüsse zur Plasma-Beschleunigung. Dieses ‚Extremlabor‘ des HZDR wird die Station für Experimente bei hohen Energiedichten („High Energy Density Science Instrument“, HED) am European XFEL mit Hochleistungslasern ausstatten. „Der Röntgenpuls aus dem European XFEL, mit dem wir die Prozesse im Plasma vermessen werden, ist sehr kurz. Wir planen zudem den Einsatz zusätzlicher diagnostischer Tools, sodass wir beispielsweise die Plasma-Oszillationen optimal studieren und weitere Instabilitäten im Experiment sehen und auch gezielt erzeugen können“, blickt Thomas Kluge voraus. So wollen die HZDR-Forscher ihrem Ziel, einen ultrakompakten Laserbeschleuniger für die Protonentherapie von Krebserkrankungen zu entwickeln, Schritt für Schritt näher kommen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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