Der heißeste weiße Zwergstern der Galaxis

Der heißeste weiße Zwergstern der Galaxis

Physik-News vom 23.11.2015
 

Astronomen der Universitäten Tübingen und Potsdam orten sterbenden Stern sowie intergalaktisches Gas, das in die Milchstraße stürzt

Astronomen der Universitäten Tübingen und Potsdam haben den heißesten weißen Zwergstern identifiziert, der jemals in unserer Galaxis nachgewiesen wurde: Mit einer Temperatur von 250.000 Grad bewegt sich der sterbende Stern im Außenbereich der Milchstraße und befindet sich dabei sogar schon wieder in der Abkühlphase. Zudem konnten die Wissenschaftler erstmals eine intergalaktische Gaswolke beobachten, die sich auf die Milchstraße zubewegt ‒ ein Hinweis darauf, dass Galaxien „frisches Material“ von außen sammeln und daraus neue Sterne bilden können. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlicht.


Skizze der Milchstraße mit Positionen der Sonne, des weißen Zwergsterns und der Gaswolke dazwischen. Von der Sonne aus gesehen liegen Stern u. Gaswolke vor d. benachbarten Großen Magellanschen Wolke.

Publikation:


K. Werner, T. Rauch
Analysis of HST/COS spectra of the bare C–O stellar core H1504+65 and a high-velocity twin in the Galactic halo
Astronomy & Astrophysics, Vol. 584, 2015

DOI: 10.1051/0004-6361/201527451



Sterne mit relativ geringer Masse wie die Sonne werden zum Ende ihres Lebens extrem heiß. Die Oberflächentemperatur der Sonne liegt seit ihrer Geburt vor 4,6 Milliarden Jahren recht konstant bei 6000 Grad Celsius. Unmittelbar vor der Erschöpfung der nuklearen Energiequellen in etwa fünf Milliarden Jahren wird sie eine 30-fach höhere Temperatur von rund 180.000 Grad erreichen, bevor sie als sogenannter weißer Zwergstern wieder abkühlt. Laut Computersimulationen können schwerere Sterne sogar noch heißer werden. Die bisher höchste Temperatur eines solchen sterbenden Sterns wurde mit 200.000 Grad bestimmt.

Bei der Auswertung von Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops konnten die Wissenschaftler nun den neuen Rekordhalter mit 250.000 Grad Celsius nachweisen. Das schafft nur ein Stern, der etwa fünfmal schwerer als die Sonne war. Der Stern mit der Katalognummer RX J0439.8-6809 ist bereits in seiner Abkühlphase und muss vor etwa tausend Jahren eine Maximaltemperatur von sogar 400.000 Grad erreicht haben. Seine chemische Zusammensetzung ist noch unverstanden. Laut Analysen sind Kohlenstoff und Sauerstoff an der Oberfläche nachweisbar, Produkte der Kernfusion von Helium, die normalerweise tief im Inneren eines Sterns verborgen bleiben.

RX J0439.8-6809 fiel schon vor mehr als zwanzig Jahren in einer Röntgendurchmusterung des Himmels als auffällig helle und deshalb heiße Quelle auf. Ursprünglich ging man von einem weißen Zwerg aus, der auf seiner Oberfläche Wasserstoff zu Helium fusioniert, den er von einem Begleitstern abzieht. Auch nahm man an, dass er sich in unserer Nachbargalaxie befindet, der Großen Magellanschen Wolke. Die Hubble-Daten zeigen nun, dass der Stern zum Außenbereich unserer Milchstraße gehört und sich mit einer Geschwindigkeit von 220 Kilometern pro Sekunde von uns weg bewegt.

Das Ultraviolettspektrum des Sterns hält aber eine weitere Überraschung bereit. In ihm kann Gas nachgewiesen werden, das nicht zum Stern gehört, sondern zu einer Wolke, die sich zwischen Milchstraße und Stern befindet. Mit Hilfe des Dopplereffekts lässt sich bestimmen, dass sich diese Gaswolke mit hoher Geschwindigkeit von uns entfernt (150 km/s) und sich auf die Milchstraße zu bewegt. Es war zwar bekannt, dass solches Hochgeschwindigkeits-Gas in Richtung der Großen Magellanschen Wolke existiert, allerdings konnte bislang nicht eindeutig ermittelt werden, ob es sich in der Milchstraße oder in der Nachbargalaxie befindet. Der Nachweis der Gaswolke in dem Sternspektrum beweist nun, dass diese Wolke zu unserer Galaxis gehört. Ihre chemische Zusammensetzung lässt vermuten, dass sie ursprünglich nicht zur Milchstraße gehörte, sondern aus dem intergalaktischen Raum stammt. Dies ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Galaxien Material von außen aufsammeln und daraus neue Sterne bilden können.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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