Der Quantenkühlschrank

Der Quantenkühlschrank

Physik-News vom 27.07.2021
 

An der TU Wien wurde ein völlig neues Kühlkonzept erfunden. Computersimulationen zeigen, wie man Quantenfelder verwenden könnte, um Tieftemperatur-Rekorde zu brechen.

Auf den ersten Blick haben Wärme und Kälte nicht viel mit Quantenphysik zu tun. Ein einzelnes Atom ist weder heiß noch kalt. Temperatur lässt sich nur für Objekte definieren, die aus vielen Teilchen bestehen. Doch an der TU Wien konnte man nun, in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin, der Nanyang Technological University in Singapur und der Universität Lissabon, zeigen, welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn man Thermodynamik und Quantenphysik miteinander verbindet: Man kann Quanteneffekte gezielt nutzen, um eine Wolke aus ultrakalten Atomen noch weiter abzukühlen.


Blick durch die Anlage an der TU Wien.

Publikation:


M. Gluza et al.
Quantum Field Thermal Machines
PRX Quantum 2, 030310 (2021)

DOI: 10.1103/PRXQuantum.2.030310

Frei zugängliche Version

Egal, welche ausgeklügelten Kühlmethoden man vorher schon verwendet hat – mit dieser Technik, die nun im Fachjournal „Physical Review X-Quantum“ präsentiert wurde, kommt man noch ein Stück weiter an den absoluten Nullpunkt heran. Bis aus diesem neuen Kühlkonzept ein echter Quantenkühlschrank entsteht, ist noch einiges an Arbeit nötig, aber erste Experimente zeigen bereits: Die nötigen Schritte sind prinzipiell möglich.

Ein neues Forschungsgebiet: Quanten-Thermodynamik

„Für klassische mechanische Maschinen spielt die Thermodynamik schon lange eine wichtige Rolle – man denke etwa an Dampfmaschinen oder Verbrennungsmotoren. Heute entwickelt man Quantenmaschinen auf winziger Größenskala, doch dort spielt die Thermodynamik bisher kaum eine Rolle“ erklärt Prof. Eisert von der Freien Universität Berlin.


João Sabino im Labor.

„Wenn man eine Quanten-Wärmemaschine bauen will, muss man zwei Anforderungen erfüllen, die einander grundsätzlich widersprechen“, erklärt Prof. Marcus Huber vom Atominstitut der TU Wien. „Es muss sich um ein System handeln, das aus vielen Teilchen besteht, und in dem man nicht jedes Detail genau kontrollieren kann. Sonst kann man nicht von Wärme sprechen. Und gleichzeitig muss das System einfach genug und hinreichend präzise kontrollierbar sein, um Quanteneffekte nicht zu zerstören. Sonst kann man nicht von einer Quantenmaschine sprechen.“

„Schon 2018 kamen wir auf die Idee, die Grundprinzipien thermischer Maschinen auf Quantensysteme zu übertragen, indem man Quantenfeld-Beschreibungen von Vielteilchen-Quantensystemen verwendet“, sagt Prof. Jörg Schmiedmayer (Atominstitut, TU Wien). Nun untersuchte das Forschungsteam von TU Wien und FU Berlin im Detail, wie man solche Quanten-Wärmemaschinen konkret entwerfen kann. Dabei orientierte man sich am Wirkungsprinzip eines gewöhnlichen Kühlschranks: Anfangs hat alles dieselbe Temperatur – der Innenraum des Kühlschranks, die Umgebung und das Kühlmittel. Doch wenn man das Kühlmittel im Inneren des Kühlschranks verdampft, wird dort Wärme entzogen. Die Wärme wird dann außen abgegeben, wenn man das Kühlmittel dort wieder verflüssigt. Man erhöht also den Druck und senkt ihn wieder, und durch dieses Wechselspiel kann man erreichen, dass es innen kälter wird und außen wärmer.

Die Frage war, ob es auch eine Quanten-Version eines solchen Prozesses geben kann. „Unsere Idee war, dafür ein Bose-Einstein-Kondensat zu verwenden – einen extrem kalten Materiezustand“, sagt Prof. Jörg Schmiedmayer. „Wir haben in den letzten Jahren viel Erfahrung damit gesammelt, solche Kondensate sehr präzise mit Hilfe von elektromagnetischen Feldern und Laserstrahlen zu steuern und zu manipulieren und dabei einige der grundlegenden Phänomene im Grenzbereich von Quantenphysik und Thermodynamik untersucht. Der logische nächste Schritt war dann die Quanten-Wärmemaschine.“

Energie-Umverteilung auf Atom-Niveau

Ein solches Bose-Einstein-Kondensat wird in drei Teile geteilt, die zunächst dieselbe Temperatur haben. „Wenn man diese Teilsysteme auf genau die richtige Weise koppelt und wieder voneinander trennt, kann man erreichen, dass der Teil in der Mitte quasi als Kolben agiert und Wärmeenergie von einer Seite auf die andere wandern lässt“, erklärt Marcus Huber. „Dadurch hat dann am Ende eines der drei Teilsysteme eine niedrigere Temperatur als am Anfang.“

Schon zu Beginn ist das Bose-Einstein-Kondensat in einem Zustand sehr niedriger Energie – aber eben nicht ganz im niedrigstmöglichen Energiezustand. Einzelne Energiequanten sind immer noch vorhanden und können von einem Teilsystem ins andere wechseln – man spricht von „Anregungen des Quantenfelds“.

„Diese Anregungen übernehmen bei uns die Rolle des Kühlmittels“, sagt Marcus Huber. „Allerdings gibt es fundamentale Unterschiede zwischen unserem System und einem klassischen Kühlschrank: In einem klassischen Kühlschrank kennt der Wärmefluss immer nur eine Richtung – von warm nach kalt. In einem Quantensystem ist das komplizierter, da kann die Energie auch von einem Teilsystem ins andere wechseln und dann wieder zurückkehren. Man muss also sehr genau kontrollieren, wann welche Teilsysteme miteinander verbunden sein sollen und wann nicht.“

Bisher ist dieser Quantenkühlschrank nur ein theoretisches Konzept – doch in Experimenten wurde bereits gezeigt, dass die nötigen Schritte machbar sind. „Nachdem wir nun wissen, dass die Idee grundsätzlich funktioniert, werden wir versuchen, das im Labor umzusetzen“, sagt Joao Sabino (TU Wien). „Wir hoffen, dass uns das in naher Zukunft gelingt.“ Das wäre ein spektakulärer Schritt nach vorne in der Tieftemperaturphysik – denn egal, mit welchen anderen Methoden man extrem tiefe Temperaturen erreicht, den neuartigen ,Quantenkühlschrank‘ könnte man am Ende immer noch als finale Zusatz-Kühlstufe hinzufügen, um einen Teil des ultrakalten Systems noch ein bisschen kälter zu machen. „Falls es mit kalten Atomen funktioniert, dann können unsere Ideen in vielen anderen Quantensystemen umgesetzt werden und zu neuen Quantentechnologie Anwendungen führen“, sagt Jörg Schmiedmayer.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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