Unterzwerg

Unterzwerg

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Unterzwerge (abgekürzt sd von englisch subdwarf) sind Sterne der Leuchtkraftklasse VI. Sie sind deutlich lichtschwächer als „normale“ Hauptreihensterne gleicher Oberflächentemperatur und liegen daher im Hertzsprung-Russell-Diagramm 1,5 bis 2 Magnituden unterhalb der Hauptreihe. Allerdings darf aus der Position im Diagramm nicht auf eine Leuchtschwäche dieser Sterne im Verhältnis zu ihrer Masse geschlossen werden; stattdessen sind sie leuchtschwächer als Hauptreihensterne gleicher Oberflächentemperatur, weil sie kleiner bzw. leichter sind.

Der Begriff Unterzwerg wurde 1939 von Gerard Peter Kuiper geprägt, welcher damit eine Reihe von Sternen beschrieb, die zuvor als „intermediäre Weiße Zwerge“ angesehen wurden.

Man unterscheidet die beiden Klassen kühle und heiße Unterzwerge, deren Mitglieder sich in völlig verschiedenen Entwicklungsstadien befinden.

Kühle Unterzwerge

Nicht maßstäbliches Schnittbild durch einen kühlen M-Unterzwerg

Diese Sterne sind vom Spektraltyp G bis M, beziehungsweise sdG bis sdM zusammen mit ihrer Leuchtkraftklasse und haben somit eine Oberflächentemperatur von etwa 2000 bis 6000 K. Sie sind metallarm, das heißt, sie haben einen kleineren Anteil von Elementen schwerer als Helium als gewöhnlich, sind aber ansonsten Hauptreihensterne und beziehen ihre Energie aus dem Wasserstoffbrennen. Durch die niedrigere Metallhäufigkeit verringert sich die Opazität des Sterninneren (er wird lichtdurchlässiger) und somit verringert sich der nach außen gerichtete Strahlungsdruck im Stern. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Stern kleiner und heißer ist als ein gewöhnlicher Population-I-Hauptreihenstern gleicher Masse. Aufgrund ihrer geringeren Opazität strahlen kühle Unterzwerge stärker im Ultraviolett im Vergleich zu Hauptreihensternen der gleichen Spektralklasse.

Vergleicht man im Hertzsprung-Russell-Diagramm für eine bestimmte Masse „normale“ Zwergsterne (wie beispielsweise die Sonne) mit Unterzwergen, so „wandern“ die kühlen Unterzwerge aufgrund ihrer heißeren Oberfläche von der Hauptreihe nach links und weil sie heller sind auch etwas nach oben zur Hauptreihe hin. Sie sind jedoch nicht hell genug, um wieder auf die normale Hauptreihe zu gelangen. Auf diese Weise bilden kühle Unterzwerge eine eigene Hauptreihe unterhalb der gewohnten und werden deswegen irreführenderweise als leuchtschwächer bezeichnet.[1]

Kühle Unterzwerge sind im Allgemeinen sehr alte sogenannte Population-II-Sterne, welche überwiegend zum galaktischen Halo der Milchstraße gehören und hohe Geschwindigkeiten relativ zur Sonne haben. Ein Beispiel für diesen Typ ist Kapteyns Stern.

Heiße oder blaue Unterzwerge

Nicht maßstäbliches Schnittbild durch einen heißen blauen Unterzwerg Subtyp O
Nicht maßstäbliches Schnittbild durch einen heißen blauen Unterzwerg Subtyp B

Heiße oder blaue Unterzwerge sind vom Spektraltyp O oder B und werden analog zu den kühlen Unterzwergen als sdO, sdOB oder sdB klassifiziert. Dem Spektraltyp entsprechend sind sie heißer als 10000 K. Es handelt sich um heliumbrennende Sterne, die nur eine sehr dünne Wasserstoffhülle besitzen. Die sdB-Sterne werden als heliumarm und die sdO-Sterne als heliumreich bezeichnet. Im Vergleich zu Sternen der Hauptreihe haben heliumbrennende Sterne einen völlig anderen Sternaufbau und befinden sich daher an einer anderen Stelle im Hertzsprung-Russell-Diagramm; in diesem Fall ist ihre Position links unterhalb der Hauptreihe.

Normalerweise fusioniert ein Stern im Roten-Riesen-Stadium Helium unter einer massereichen Wasserstoffschale. Heiße Unterzwerge sind nach dem derzeitigen Forschungsstand die Kerne solcher Sterne, die ihre wasserstoffreiche Hülle fast vollständig verloren haben. Die Massen der heißen Unterzwerge liegen mit einer geringen Streuung bei 0,46 Sonnenmassen und sie verfügen über Radien von einigen Zehntel der Sonne. Die Hülle kann als Folge eines späten Helium-Blitzes verloren gehen. In Doppelsternsystemen kann die Hülle eines entwickelten Sterns durch eine oder zwei Common-Envelope-Phasen beziehungsweise durch einen Materiefluß über Roche-Grenze auf einen Begleiter abfließen. Dieser Entstehungskanal ist durch die Entdeckung von lichtschwachen Begleitern von heißen Unterzwergen bestätigt worden, die bei circa 50 Prozent aller sdB- und sdO-Sterne beobachtet werden können[2]. Einzelne heiße Unterzwerge könnten das Produkt der Verschmelzung zweier Weißer-Helium-Zwerge sein (jeweils weniger als 0,5 Sonnenmassen, sodass keine Heliumfusion stattfinden konnte), welche aber ebenfalls zuvor einen Großteil ihrer Hülle verloren haben müssten, da einzelne Weiße-Helium-Zwerge aufgrund des hierfür zu geringen Alters des Universums noch nicht entstehen konnten. Dieser Entstehungskanal führt zu schnell rotierenden blauen Unterzwergen wie SB 290 und EC22081−1916 mit Rotationsgeschwindigkeiten von mehr als 160 km/s[3]. Auch Planeten in Form von Hot Jupitern bzw. Braune Zwerge könnten zur Entstehung von Blauen Unterzwergen führen. Sobald der Ursprungsstern zu einem Roten Riesen anschwillt läuft der substellare Begleiter innerhalb der Atmosphäre des Sterns und überträgt einen Teil seiner Bewegungsenergie auf die äußeren Schichten des Sterns. Dadurch wird die wasserstoffreiche Atmosphäre abgeworfen und zurück bleibt ein sdB-Stern mit einem Begleiter, der während der Common Envelope-Phase ebenfalls ein Teil seiner Masse eingebüßt hat wie bei J0820+0008[4].

Ein Teil der heißen Unterzwerge gehört zu den pulsationsveränderlichen Sternen. Sie werden nach der Periode der Grundschwingung eingeteilt in die kurzperiodischen V361-Hya-Sterne mit Werten zwischen zwei und zehn Minuten sowie den langperiodischen V1093-Her-Sternen mit Werten zwischen 45 und 120 Minuten. Alle V361-Hya-Sterne haben Oberflächentemperaturen oberhalb von 28.000 K, während die V1093-Her-Sterne unterhalb dieser Grenze liegen. Daneben gibt es noch eine kleine Gruppe an hybriden Sternen, die sowohl die g-Schwingungen der V361-Hya-Gruppe als auch die p-Schwingungen der V1093-Her-Gruppe zeigen. Alle pulsationsveränderlichen heißen Unterzwerge schwingen in einer Vielzahl von Schwingungsmoden und können daher mit den Methoden der Asteroseismologie analysiert werden. Diese Analysen haben das Verständnis über den Aufbau und die Entwicklung dieser Sterngruppe verbessert[5]. Die Schwingungen bei pulsationsveränderlichen blauen Unterzwergen sind sehr stabil. Kleine periodische Abweichungen in der Ankunftszeit der Minima oder Maxima werden auf den gravitativen Einfluss durch Planeten um die Sterne aufgrund des Lichtlaufzeiteffekts zurückgeführt und könnten damit die Hypothesen zur Entstehung dieser extremen Horizontalast-Sterne bestätigen[6].

sdB-Sterne, die sich im Hertzsprung-Russell-Diagramm zwischen der oberen Hauptreihe und den Weißen Zwergen befinden, stellen einen signifikanten Anteil heißer Sterne in alten Sternsystemen, wie Kugelsternhaufen und Elliptischen Galaxien dar. Sie entwickeln sich direkt weiter zu Weißen Zwergen.[7]

Planeten bei einem heißen Unterzwerg

Der heiße Unterzwerg KIC 05807616 könnte zwei Planeten besitzen, die ihn in 5 Stunden und 46 Minuten bzw. in 8 Stunden und 14 Minuten umkreisen. Die Entdecker vermuten, dass es sich um die übrig gebliebenen Kerne von Gasriesen handelt. Die äußeren Schichten gingen beim Durchflug durch die Sternenatmosphäre während des Roten Riesenstadiums verloren. Der Durchgang der Planeten durch die aufgeblähte Sternenhülle des Roten Riesen könnte auch zum Verlust letzterer geführt haben, sodass sich so der Blaue Unterzwerg bilden konnte.[8][9]

Einzelnachweise

  1. James B. Kaler, Sterne und ihre Spektren, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN 3-86025-089-2, 1994
  2. J. Girven, D. Steeghs, U. Heber, et al.: The Unseen Population of F to K-type Companions to Hot Subdwarf Stars. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Band 425, 2012, S. 1013–1041, doi:10.1111/j.1365-2966.2012.21415.x, arxiv:1205.6803.
  3. S. Geieret al.: The subdwarf B star SB290 – A fast rotator on the extreme horizontal branch. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2013, arxiv:1301.4129.
  4. S. Geier: Hot Subdwarf Formation: Confronting Theory with Observation. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2012, arxiv:1212.0418.
  5. Ulrich Heber, Stephan Geier, Boris Gaensicke: Hot subluminous Stars: Highlights from the MUCHFUSS and Kepler missions. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2012, arxiv:1211.5315.
  6. R. Lutz, S. Schuh, and R. Silvotti: EXOTIME: searching for planets and measuring Pdot in sdB pulsators. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2013, arxiv:1301.2048.
  7. Jeffery, C. S.: Pulsations in Subdwarf B Stars. In: Journal of Astrophysics and Astronomy. 26. Jahrgang, 2005, S. 261, doi:10.1007/BF02702334 (ias.ac.in).
  8. S. Charpinet, G. Fontaine, P. Brassard, et al.: A compact system of small planets around a former red-giant star. In: Nature. Band 480, 2011, S. 496–499, doi:10.1038/nature10631.
  9. chs/dpa: Kosmische Feuerhölle, Senior-Stern lässt geröstete Planeten zurück, in Spiegel Online, Datum: 22. Dezember 2011, Abgerufen: 22. Dezember 2011

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