Elektronenspinresonanz: Unterschied zwischen den Versionen

Elektronenspinresonanz: Unterschied zwischen den Versionen

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Mit Hilfe der '''[[Elektronenspin]]<nowiki />resonanz''' (kurz '''ESR''' oder {{enS|electron paramagnetic resonance}}, ''EPR'') wird die [[Resonanz|resonante]] [[Mikrowellen]][[Absorption (Physik)|absorption]] einer Probe in einem äußeren [[Magnetfeld]] gemessen. Dies macht sie zu einer hervorragend geeigneten Methode zur Untersuchung von Proben, die über ein permanentes [[magnetisches Moment]] (ungepaarte [[Elektron]]en) verfügen.
Mit Hilfe der '''[[Elektronenspin]]<nowiki />resonanz''' (kurz '''ESR''' oder {{enS|electron paramagnetic resonance}}, ''EPR'') wird die [[Resonanz|resonante]] [[Mikrowellen]][[Absorption (Physik)|absorption]] einer Probe in einem äußeren [[Magnetfeld]] gemessen. Dies macht sie zu einer hervorragend geeigneten Methode zur Untersuchung von Proben, die über ein permanentes [[magnetisches Moment]] (ungepaarte [[Elektron]]en) verfügen.
[[Datei:EPR spectometer.JPG|mini|300px|EPR-[[Spektrometer]]]]
[[Datei:EPR spectometer.JPG|mini|300px|ESR-[[Spektrometer]]]]


== Geschichte ==
== Geschichte ==
Das erste ESR-Experiment wurde von [[Jewgeni Konstantinowitsch Sawoiski]] in [[Kasan]] 1944 durchgeführt. Unabhängig davon erfolgte die Entwicklung in Großbritannien durch [[Brebis Bleaney]]. Sawoiski beobachtete bei [[paramagnetisch]]en Salzen wie [[Kupfersulfat]] und [[Mangan(II)-chlorid]] [[Resonanzabsorption]] der eingestrahlten Energie bei definierten Verhältnissen der Stärke des statischen [[Magnetfeld]]es zur [[Frequenz]]. Um dieses allererste ESR-Spektrometer bauen zu können, hatte Sawoiski das [[Klystron]] aus dem Radargerät eines erbeuteten deutschen Panzers benutzt.<sup>(Beleg fehlt)</sup>
Das erste ESR-Experiment wurde von [[Jewgeni Konstantinowitsch Sawoiski]] in [[Kasan]] 1944 durchgeführt. Unabhängig davon erfolgte die Entwicklung in Großbritannien durch [[Brebis Bleaney]]. Sawoiski beobachtete bei [[paramagnetisch]]en Salzen wie [[Kupfersulfat]] und [[Mangan(II)-chlorid]] [[Resonanzabsorption]] der eingestrahlten Energie bei definierten Verhältnissen der Stärke des statischen [[Magnetfeld]]es zur [[Frequenz]].


== Hintergrund ==
== Hintergrund ==
Bringt man eine Probe mit permanentem magnetischen Moment in ein Magnetfeld, so spalten sich die entarteten Energiezustände auf ([[Zeeman-Effekt]]). Oft wird der Zeemaneffekt anhand von Übergängen zwischen Niveaus unterschiedlicher Hauptquantenzahl untersucht; bei der ESR werden dagegen Übergänge zwischen Niveaus gleicher Hauptquantenzahl beobachtet: Durch Bestrahlung mit einer Mikrowelle, deren Energie der Aufspaltung der Niveaus entspricht, kommt es zur Absorption.
Bringt man eine Probe mit permanentem magnetischen Moment in ein Magnetfeld, so spalten sich die [[Entartung (Quantenmechanik)|entartet]]en [[Energiezustand|Energiezustände]] auf ([[Zeeman-Effekt]]). Oft wird der Zeemaneffekt anhand von Übergängen zwischen [[Energieniveau|Niveaus]] unterschiedlicher [[Hauptquantenzahl]] untersucht; bei der ESR werden dagegen Übergänge zwischen Niveaus ''gleicher'' Hauptquantenzahl beobachtet: Durch Bestrahlung mit einer [[Mikrowellen|Mikrowelle]], deren Energie der Aufspaltung der Niveaus entspricht, kommt es zur Absorption.


In der Praxis wird die zu untersuchende Probe in einem veränderlichen Magnetfeld mit einer Mikrowelle fester Frequenz bestrahlt. Das aufgezeichnete Absorptionsspektrum erlaubt Rückschlüsse auf die magnetische Umgebung der magnetischen Momente (siehe [[Landé-Faktor|g-Faktor]]).
In der Praxis wird die zu untersuchende Probe in einem veränderlichen Magnetfeld mit einer Mikrowelle fester Frequenz bestrahlt. Das aufgezeichnete [[Absorptionsspektrum]] erlaubt Rückschlüsse auf die magnetische Umgebung der magnetischen Momente (siehe [[Landé-Faktor|g-Faktor]]).


In der ESR-Spektroskopie können nur Substanzen mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen untersucht werden. Typische Beispiele hierfür sind:
In der ESR-Spektroskopie können nur Substanzen mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen untersucht werden. Typische Beispiele hierfür sind:
* Paramagnetische Übergangsmetall-Ionen in Lösung und im Festkörper
* paramagnetische [[Übergangsmetall]]-[[Ion]]en in [[Lösung (Chemie)|Lösung]] und im [[Festkörper]]
* Durch ionisierende Strahlung erzeugte Radikale in Kristallen
* durch [[ionisierende Strahlung]] erzeugte [[Radikal (Chemie)|Radikal]]e in [[Kristall]]en
* Organische Moleküle im Triplett-Zustand
* [[Organische Chemie|organische]] [[Molekül]]e im [[Multiplizität|Triplett]]-Zustand
* Organische Radikale in Lösung
* organische Radikale in Lösung
* [[Nachweis (Chemie)|Nachweis]] von [[Lebensmittelbestrahlung]]<ref>G. Schwedt; Taschenatlas der Lebensmittelchemie; 2. vollst. überarb. u. erw. Aufl.; Wiley-VCH, Weinheim 2005.</ref>
* [[Nachweis (Chemie)|Nachweis]] von [[Lebensmittelbestrahlung]]<ref>G. Schwedt; Taschenatlas der Lebensmittelchemie; 2. vollst. überarb. u. erw. Aufl.; Wiley-VCH, Weinheim 2005.</ref>
* Stickstoffmonoxid (in Gewebe)
* [[Stickstoffmonoxid]] (in [[Gewebe (Biologie)|Gewebe]]).


== Anwendung ==
== Anwendung ==
ESR-Spektroskopie wird beispielsweise in der [[Biophysik]] und in der [[Halbleiterphysik]] angewendet. ESR kann an natürlichen biologischen Proben durchgeführt werden. Damit kann krankes Gewebe untersucht werden und mittels der Radikal-Konzentration Aussagen über bestrahltes Material getroffen werden. ESR ist außerdem eine Untersuchungsmethode in der Materialforschung. So können in der [[Photovoltaik]] Verunreinigungen des Materials durch Charakterisierung paramagnetischer Defekte eingeschränkt werden.<ref>W. Hoppe et al., Biophysik, Springer Verlag, 1982.</ref>
ESR-Spektroskopie wird beispielsweise in der [[Biophysik]] und in der [[Halbleiterphysik]] angewendet. ESR kann an natürlichen biologischen Proben durchgeführt werden. Damit kann krankes Gewebe untersucht werden und mittels der Radikal-Konzentration Aussagen über bestrahltes Material getroffen werden.


Zur Strukturaufklärung von [[Makromolekül]]en, wie beispielsweise [[Protein]]e, [[Lipide]], [[DNA]] oder [[RNA]], eignet sich die ESR, wenn man die Makromoleküle vorher mit Spinmarkern koppelt. Als Spinmarker für Proteine kommen Nitroxide zur Anwendung, die ein ungepaartes über die N-O-Bindung delokalisiertes Elektron enthalten und die eine Bindung mit [[Cystein]] in einer Aminosäuresequenz eingehen. Aus den ESR-Spektren lassen sich Abstände zwischen zwei gebundenen Spinmarkern ermitteln und damit Rückschlüsse auf z.&nbsp;B. die Faltung von Proteinsträngen ziehen. Ein etabliertes Verfahren hierzu ist die Doppel-Elektron-Elektron-Resonanz (DEER), eine gepulste Variante der ESR, bei der nicht überlappende Pulse bei unterschiedlichen Frequenzen eingestrahlt werden. Die Methode eignet sich auch für Untersuchungen zu [[Membranprotein|Protein-Membran]]-Wechselwirkungen.<ref>{{Literatur |Autor=Malte Drescher |Titel=Elektronenresonanz-Spektroskopie |Sammelwerk=Chemie in unserer Zeit |Band=46 |Nummer=3 |Datum=2012 |Seiten=150–157 |DOI=10.1002/ciuz.201200581}}</ref>
ESR ist außerdem eine Untersuchungsmethode in der [[Materialforschung]]. So können in der [[Photovoltaik]] Verunreinigungen des Materials durch Charakterisierung paramagnetischer Defekte eingeschränkt werden.<ref>W. Hoppe et al., Biophysik, Springer Verlag, 1982.</ref>
 
Zur [[Strukturaufklärung]] von [[Makromolekül]]en, wie beispielsweise [[Protein]]e, [[Lipide]], [[DNA]] oder [[RNA]], eignet sich die ESR, wenn man die Makromoleküle vorher mit Spinmarkern koppelt. Als Spinmarker für Proteine werden [[Nitroxid]]e verwendet, die ein ungepaartes, über die N-O-Bindung [[delokalisiert]]es Elektron enthalten und die eine [[Chemische Bindung|Bindung]] mit [[Cystein]] in einer [[Aminosäuresequenz]] eingehen. Aus den ESR-Spektren lassen sich Abstände zwischen zwei gebundenen Spinmarkern ermitteln und damit Rückschlüsse auf z.&nbsp;B. die [[Proteinfaltung|Faltung von Proteinsträngen]] ziehen. Ein etabliertes Verfahren hierzu ist die [[Doppel-Elektron-Elektron-Resonanz]] (DEER), eine gepulste Variante der ESR, bei der nicht überlappende Pulse bei unterschiedlichen Frequenzen eingestrahlt werden. Die Methode eignet sich auch für Untersuchungen zu [[Membranprotein|Protein-Membran]]-Wechselwirkungen.<ref>{{Literatur |Autor=Malte Drescher |Titel=Elektronenresonanz-Spektroskopie |Sammelwerk=Chemie in unserer Zeit |Band=46 |Nummer=3 |Datum=2012 |Seiten=150–157 |DOI=10.1002/ciuz.201200581}}</ref>
 
Die schmalbandige Elektronenspinresonanz von einkristallinem [[Yttrium-Eisen-Granat]] im Magnetfeld wird zur Herstellung von Mikrowellenfiltern ([[YIG-Filter]]) und -resonatoren eingesetzt.


== Resonanz-Absorption ==
== Resonanz-Absorption ==
Ein statisches (meist homogenes) Magnetfeld, in dem sich Atome oder Moleküle mit nicht abgeschlossenen elektronischen Schalen befinden, hebt die energetische Entartung der Zustände auf ([[Zeeman-Effekt]]). Diese Aufspaltung ist in erster Näherung proportional zum angelegten Magnetfeld <math>H</math>:
Ein statisches (meist [[Homogenität (Physik)|homogen]]es) Magnetfeld, in dem sich Atome oder Moleküle mit nicht abgeschlossenen [[Elektronenschale|elektronischen Schalen]] befinden, hebt die energetische Entartung der Zustände auf ([[Zeeman-Effekt]]). Diese Aufspaltung ist in erster Näherung proportional zum angelegten Magnetfeld <math>H</math>:
 
:<math>\begin{alignat}{2}
E_{\rm Zee} &= g \cdot \mu_0 &&\cdot \mu_\mathrm B \cdot m_J \cdot H\\
            &= g            &&\cdot \mu_\mathrm B \cdot m_J \cdot B
\end{alignat}</math>
 
mit
* dem [[Bohrsches Magneton|Bohrschen Magneton]] <math>\mu_\mathrm B</math>
* der [[magnetische Flussdichte|magnetischen Flussdichte]] <math>B = \mu_0 \, H</math>
* der [[magnetische Quantenzahl|magnetischen Quantenzahl]] <math>m_J</math>.
Jedes magnetische Energieniveau besitzt deshalb den Abstand <math> E_0 = g \cdot \mu_0 \cdot \mu_\mathrm B \cdot H </math> vom nächsten benachbarten Zustand (äquidistante Aufspaltung). Zwischen den Zuständen sind magnetische Dipolar-Übergänge zwischen benachbarten Niveaus möglich (<math>\Delta m_J = \pm 1</math>).


: <math>E_{\rm Zee} = g \cdot \mu_0 \cdot \mu_B \cdot m_J \cdot H = g \cdot \mu_B \cdot m_J \cdot B</math>
Legt man senkrecht zum statischen Magnetfeld ein hochfrequentes [[Wechselfeld]] an (z.&nbsp;B. bei [[Frequenzband|X-Band]]-ESR 9 bis 10&nbsp;[[GHz]]), so lassen sich diese Übergänge gezielt anregen. Dazu muss die magnetische Energie <math>E_0</math> der Mikrowellen-Energie <math>h \, f</math> entsprechen. In diesem Fall wird Mikrowellen-Strahlung der Frequenz <math>f</math> emittiert oder absorbiert – man beobachtet Resonanz-Absorption.


<math>m_J</math> ist dabei die magnetische Quantenzahl und <math>\mu_B</math> das [[Bohrsches Magneton|Bohrsche Magneton]], <math>B=\mu_0 H</math> die magnetische Flussdichte. Jedes magnetische Energieniveau besitzt deshalb den Abstand <math> E_0 = g \cdot \mu_0 \cdot \mu_B \cdot H </math> vom nächsten benachbarten Zustand (äquidistante Aufspaltung). Zwischen den Zuständen sind magnetische Dipolar-Übergänge zwischen benachbarten Niveaus möglich (<math>\Delta m_J=\pm 1</math>). Legt man senkrecht zum statischen Magnetfeld ein hochfrequentes Wechselfeld (z.&nbsp;B. bei [[Frequenzband|X-Band]]-ESR 9 bis 10 GHz) an, so lassen sich diese Übergänge gezielt anregen. Dazu muss die magnetische Energie <math> E_0 </math> der Mikrowellen-Energie <math> h f </math> entsprechen. In diesem Fall wird Mikrowellen-Strahlung der Frequenz <math>f</math> emittiert oder absorbiert – man beobachtet Resonanz-Absorption.
Bei der paramagnetischen Resonanz ergibt sich daraus die Resonanzbedingung (auch „Grundgleichung der EPR-Spektroskopie“ genannt):<ref>{{Internetquelle |url=http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/15/thc/quantenspek/eprspek/tc060_eprpek.vlu/Page/vsc/de/ch/15/thc/quantenspek/eprspek/mspek_51.vscml.html |hrsg= |titel=Paramagnetische Elektronenresonanz-Spektroskopie (EPR) |zugriff=2012-08-30}}</ref>


Bei der paramagnetischen Resonanz ergibt sich daraus die Resonanzbedingung (auch „Grundgleichung der EPR-Spektroskopie“ genannt)<ref>{{Internetquelle |url=http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/15/thc/quantenspek/eprspek/tc060_eprpek.vlu/Page/vsc/de/ch/15/thc/quantenspek/eprspek/mspek_51.vscml.html |hrsg= |titel=Paramagnetische Elektronenresonanz-Spektroskopie (EPR) |zugriff=2012-08-30}}</ref>
:<math>g \cdot \mu_0 \cdot \mu_\mathrm B \cdot H = h \cdot f</math>


: <math> g \cdot \mu_0 \cdot \mu_B \cdot H = h \cdot f </math>
Der [[Landé-Faktor|g-Faktor]] (oder Landé-Faktor) verknüpft die Größe des magnetischen Moments eines Atoms mit seinem [[Gesamtdrehimpuls]]:
* für reinen Bahnmagnetismus (d.&nbsp;h. [[Spin]] <math>s = 0</math>) ist <math>g=1</math>
* für reinen Spinmagnetismus (d.&nbsp;h. Bahndrehimpuls <math>l = 0</math>) gilt <math>g=2</math> (genauer 2,002322).


Der so genannte [[Landé-Faktor|g-Faktor]] (oder Landé-Faktor) verknüpft die Größe des magnetischen Moments eines Atoms mit seinem Gesamtdrehimpuls. Für reinen Bahnmagnetismus (<math>s=0</math>) ist <math>g=1</math>, für reinen Spinmagnetismus (<math>l=0</math>) gilt <math>g=2</math> (genauer 2,002322). Allgemein lässt sich folgende Beziehung angeben:
Allgemein lässt sich folgende Beziehung angeben:


: <math>g=1+\frac{j(j+1)+s(s+1)-l(l+1)}{2j(j+1)}</math>.
:<math>g = 1 + \frac{j(j+1)+s(s+1)-l(l+1)}{2j(j+1)}</math>.


Diese Formel kann aus dem Vektormodell der Atomphysik hergeleitet werden.
Diese Formel kann aus dem Vektormodell der [[Atomphysik]] hergeleitet werden.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
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* [[Ferromagnetische Resonanz]] (FMR)
* [[Ferromagnetische Resonanz]] (FMR)
* [[Antiferromagnetische Resonanz]] (AFMR)
* [[Antiferromagnetische Resonanz]] (AFMR)
*[[Optisch detektierte magnetische Resonanz]] (ODMR)


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.eqi.ethz.ch/fmi/xsl/eqi/eqi_property_details_de.xsl?node_id=520 Verzeichnis von Datenbanken und Nachschlagewerken mit ESR-Spektren]
* [http://www.eqi.ethz.ch/fmi/xsl/eqi/eqi_property_details_de.xsl?node_id=520 Verzeichnis von Datenbanken und Nachschlagewerken mit ESR-Spektren]
* [https://lp.uni-goettingen.de/get/text/1685 LP - Vom Kreisel zum Elektronenspin - ein Modellversuch zur Elektronenspinresonanz] (inkl. Skizzen und Video), Hauptartikel: [https://lp.uni-goettingen.de/get/text/1683 LP - Elektronenspinresonanz (ESR)]
* [https://lp.uni-goettingen.de/get/text/1685 LP Vom Kreisel zum Elektronenspin ein Modellversuch zur Elektronenspinresonanz] (inkl. Skizzen und Video), Hauptartikel: [https://lp.uni-goettingen.de/get/text/1683 LP Elektronenspinresonanz (ESR)]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 12. Mai 2021, 20:46 Uhr

Mit Hilfe der Elektronenspinresonanz (kurz ESR oder englisch electron paramagnetic resonance, EPR) wird die resonante Mikrowellenabsorption einer Probe in einem äußeren Magnetfeld gemessen. Dies macht sie zu einer hervorragend geeigneten Methode zur Untersuchung von Proben, die über ein permanentes magnetisches Moment (ungepaarte Elektronen) verfügen.

Geschichte

Das erste ESR-Experiment wurde von Jewgeni Konstantinowitsch Sawoiski in Kasan 1944 durchgeführt. Unabhängig davon erfolgte die Entwicklung in Großbritannien durch Brebis Bleaney. Sawoiski beobachtete bei paramagnetischen Salzen wie Kupfersulfat und Mangan(II)-chlorid Resonanzabsorption der eingestrahlten Energie bei definierten Verhältnissen der Stärke des statischen Magnetfeldes zur Frequenz.

Hintergrund

Bringt man eine Probe mit permanentem magnetischen Moment in ein Magnetfeld, so spalten sich die entarteten Energiezustände auf (Zeeman-Effekt). Oft wird der Zeemaneffekt anhand von Übergängen zwischen Niveaus unterschiedlicher Hauptquantenzahl untersucht; bei der ESR werden dagegen Übergänge zwischen Niveaus gleicher Hauptquantenzahl beobachtet: Durch Bestrahlung mit einer Mikrowelle, deren Energie der Aufspaltung der Niveaus entspricht, kommt es zur Absorption.

In der Praxis wird die zu untersuchende Probe in einem veränderlichen Magnetfeld mit einer Mikrowelle fester Frequenz bestrahlt. Das aufgezeichnete Absorptionsspektrum erlaubt Rückschlüsse auf die magnetische Umgebung der magnetischen Momente (siehe g-Faktor).

In der ESR-Spektroskopie können nur Substanzen mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen untersucht werden. Typische Beispiele hierfür sind:

Anwendung

ESR-Spektroskopie wird beispielsweise in der Biophysik und in der Halbleiterphysik angewendet. ESR kann an natürlichen biologischen Proben durchgeführt werden. Damit kann krankes Gewebe untersucht werden und mittels der Radikal-Konzentration Aussagen über bestrahltes Material getroffen werden.

ESR ist außerdem eine Untersuchungsmethode in der Materialforschung. So können in der Photovoltaik Verunreinigungen des Materials durch Charakterisierung paramagnetischer Defekte eingeschränkt werden.[2]

Zur Strukturaufklärung von Makromolekülen, wie beispielsweise Proteine, Lipide, DNA oder RNA, eignet sich die ESR, wenn man die Makromoleküle vorher mit Spinmarkern koppelt. Als Spinmarker für Proteine werden Nitroxide verwendet, die ein ungepaartes, über die N-O-Bindung delokalisiertes Elektron enthalten und die eine Bindung mit Cystein in einer Aminosäuresequenz eingehen. Aus den ESR-Spektren lassen sich Abstände zwischen zwei gebundenen Spinmarkern ermitteln und damit Rückschlüsse auf z. B. die Faltung von Proteinsträngen ziehen. Ein etabliertes Verfahren hierzu ist die Doppel-Elektron-Elektron-Resonanz (DEER), eine gepulste Variante der ESR, bei der nicht überlappende Pulse bei unterschiedlichen Frequenzen eingestrahlt werden. Die Methode eignet sich auch für Untersuchungen zu Protein-Membran-Wechselwirkungen.[3]

Die schmalbandige Elektronenspinresonanz von einkristallinem Yttrium-Eisen-Granat im Magnetfeld wird zur Herstellung von Mikrowellenfiltern (YIG-Filter) und -resonatoren eingesetzt.

Resonanz-Absorption

Ein statisches (meist homogenes) Magnetfeld, in dem sich Atome oder Moleküle mit nicht abgeschlossenen elektronischen Schalen befinden, hebt die energetische Entartung der Zustände auf (Zeeman-Effekt). Diese Aufspaltung ist in erster Näherung proportional zum angelegten Magnetfeld $ H $:

$ {\begin{alignedat}{2}E_{\rm {Zee}}&=g\cdot \mu _{0}&&\cdot \mu _{\mathrm {B} }\cdot m_{J}\cdot H\\&=g&&\cdot \mu _{\mathrm {B} }\cdot m_{J}\cdot B\end{alignedat}} $

mit

Jedes magnetische Energieniveau besitzt deshalb den Abstand $ E_{0}=g\cdot \mu _{0}\cdot \mu _{\mathrm {B} }\cdot H $ vom nächsten benachbarten Zustand (äquidistante Aufspaltung). Zwischen den Zuständen sind magnetische Dipolar-Übergänge zwischen benachbarten Niveaus möglich ($ \Delta m_{J}=\pm 1 $).

Legt man senkrecht zum statischen Magnetfeld ein hochfrequentes Wechselfeld an (z. B. bei X-Band-ESR 9 bis 10 GHz), so lassen sich diese Übergänge gezielt anregen. Dazu muss die magnetische Energie $ E_{0} $ der Mikrowellen-Energie $ h\,f $ entsprechen. In diesem Fall wird Mikrowellen-Strahlung der Frequenz $ f $ emittiert oder absorbiert – man beobachtet Resonanz-Absorption.

Bei der paramagnetischen Resonanz ergibt sich daraus die Resonanzbedingung (auch „Grundgleichung der EPR-Spektroskopie“ genannt):[4]

$ g\cdot \mu _{0}\cdot \mu _{\mathrm {B} }\cdot H=h\cdot f $

Der g-Faktor (oder Landé-Faktor) verknüpft die Größe des magnetischen Moments eines Atoms mit seinem Gesamtdrehimpuls:

  • für reinen Bahnmagnetismus (d. h. Spin $ s=0 $) ist $ g=1 $
  • für reinen Spinmagnetismus (d. h. Bahndrehimpuls $ l=0 $) gilt $ g=2 $ (genauer 2,002322).

Allgemein lässt sich folgende Beziehung angeben:

$ g=1+{\frac {j(j+1)+s(s+1)-l(l+1)}{2j(j+1)}} $.

Diese Formel kann aus dem Vektormodell der Atomphysik hergeleitet werden.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. G. Schwedt; Taschenatlas der Lebensmittelchemie; 2. vollst. überarb. u. erw. Aufl.; Wiley-VCH, Weinheim 2005.
  2. W. Hoppe et al., Biophysik, Springer Verlag, 1982.
  3. Malte Drescher: Elektronenresonanz-Spektroskopie. In: Chemie in unserer Zeit. Band 46, Nr. 3, 2012, S. 150–157, doi:10.1002/ciuz.201200581.
  4. Paramagnetische Elektronenresonanz-Spektroskopie (EPR). Abgerufen am 30. August 2012.

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