Teilchen-Billard mit drei Partnern: Frankfurter Forscher lösen Rätsel um Compton-Effekt

Teilchen-Billard mit drei Partnern: Frankfurter Forscher lösen Rätsel um Compton-Effekt

Physik-News vom 14.04.2020
 

Mit Licht lassen sich Elektronen aus Atomen herausschlagen, dabei prallen Lichtteilchen und Elektronen wie zwei Billardkugeln voneinander ab – der Compton-Effekt. Warum Elektronen sogar aus einem Atom herausgeschlagen werden, wenn das Licht dafür eigentlich zu wenig Energie hat, hat jetzt ein internationales Team von Physikern unter der Leitung von Wissenschaftlern der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden.

Als der amerikanische Physiker Arthur Compton 1922 entdeckte, dass sich Lichtwellen wie Teilchen verhalten und in einem Stoßexperiment Elektronen aus Atomen herausschlagen können, war dies ein Meilenstein für die Quantenphysik. Fünf Jahre später wurde der Wissenschaftler dafür mit dem Nobelpreis geehrt. Für seine Experimente nutzte Compton sehr kurzwelliges Licht mit hoher Energie, demgegenüber er die Bindungsenergie des Elektrons an den Atomkern vernachlässigen konnte. Compton nahm daher für seine Berechnungen kurzerhand an, dass das Elektron frei im Raum ruhen würde.


Schematische Darstellung des Compton-Effekts (vorne), wie er im COLTRIMS-Reaktionsmikroskop (hinten) gemessen wird. Ein Photon (geschlängelte Linie) trifft ein Elektron eines Helium-Atoms, wodurch das Elektron aus dem Atom herausgeschlagen wird (roter Punkt). Das Atom wird dadurch zum geladenen Ion (blauer Punkt). Elektrische und magnetische Felder lenken Elektron und Ion zu Detektoren (rot: Elektronendetektor, blau: Ionendetektor).

Publikation:


Max Kircher et. al.
Kinematically complete experimental study of Compton scattering at helium atoms near the ionization threshold
Nature Physics

DOI: 10.1038/s41567-020-0880-2



In den folgenden 90 Jahren wurden bis heute zahlreiche Experimente und Berechnungen zum Compton-Effekt gemacht, die immer wieder Asymmetrien zeigten und Rätsel aufwarfen. So wurde beobachtet, dass in bestimmten Experimenten scheinbar Energie verloren ging, wenn man die Bewegungsenergie der Elektronen und Lichtteilchen (Photonen) nach dem Zusammenstoß mit der Energie der Photonen vor dem Zusammenprall verglich. Da Energie nicht einfach verschwinden kann, wurde vermutet, dass sich in diesen Fällen der Einfluss des Atomkerns bei dem Photon-Elektron-Zusammenprall entgegen der vereinfachenden Annahme von Compton nicht vernachlässigen lässt.

Selfie von Max Kircher vor dem COLTRIMS-Reaktionsmikroskop.

Ein Team von Physikern um Professor Reinhard Dörner und Doktorand Max Kircher von der Goethe-Universität Frankfurt hat nun erstmals bei einem Stoßexperiment mit Photonen gleichzeitig die abgelenkten Elektronen und die Bewegung des Atomkerns beobachtet. Dazu bestrahlten sie Heliumatome mit Röntgenlicht der Röntgenstrahlungsquelle PETRA III am Hamburger Beschleunigerzentrum DESY. Die herausgelösten Elektronen und die geladenen „Atomreste“(Ionen) detektierten sie in einem COLTRIMS-Reaktionsmikroskop, einer Apparatur, die Dörner mitentwickelt hat und die ultraschnelle Reaktionsprozesse von Atomen und Molekülen sichtbar machen kann.

Die Ergebnisse waren überraschend: Die Wissenschaftler beobachteten nämlich nicht nur, dass die Energie der stoßenden Photonen natürlich erhalten bleibt und zu einem Teil auf in eine Bewegung des Atomkerns (genauer: des Ions) überführt wird. Vielmehr wird zuweilen ein Elektron sogar aus dem Atom herausgeschlagen, wenn die Energie des stoßenden Photons eigentlich zu gering ist, um die Bindungskräfte des Elektrons an den Atomkern zu überwinden.

Insgesamt wurde nur in zwei Dritteln der Fälle das Elektron dorthin gestoßen, wo man es bei einem Billard-Stoßexperiment erwarten würde. In allen anderen Fällen wurde das Elektron quasi vom Kern reflektiert und teilweise sogar in die entgegengesetzte Richtung gelenkt.

Reinhard Dörner: „Wir konnten damit zeigen, dass das ganze System aus Photon, herausgeschlagenem Elektron und Ion nach quantenmechanischen Gesetzen schwingt. Unsere Experimente liefern damit einen neuen Ansatzpunkt zum experimentellen Testen quantenmechanischer Theorien des Compton Effekts, der zum Beispiel in der Astrophysik oder der Röntgenphysik eine wichtige Rolle spielt.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Goethe-Universität Frankfurt am Main via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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