Quantenlogik-Spektroskopie erschließt Potenzial hochgeladener Ionen

Quantenlogik-Spektroskopie erschließt Potenzial hochgeladener Ionen


Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und des Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) haben erstmals optische Messungen mit bislang unerreichter Präzision an hochgeladenen Ionen durchgeführt. Dazu isolierten sie ein einzelnes Ar¹³⁺-Ion aus einem extrem heißen Plasma und brachten es in einer Ionenfalle zusammen mit einem lasergekühlten, einfach geladenen Ion praktisch zur Ruhe. Mittels Quantenlogik-Spektroskopie an dem Ionenpaar konnten sie die Präzision gegenüber bisherigen Methoden 100-millionenfach steigern. Dies erschließt die Vielfalt hochgeladener Ionen für neuartige Atomuhren und eröffnet weitere Wege auf der Suche nach neuer Physik.

Hochgeladene Ionen sind – obwohl exotisch klingend – eine sehr natürliche Form der sichtbaren Materie. Beispielsweise ist alle Materie unserer Sonne und auch aller anderer Sterne hoch ionisiert. Hochgeladene Ionen sind in vielerlei Hinsicht allerdings extremer als neutrale Atome oder einfach geladene Ionen. Durch ihre hohe positive Ladung sind die äußeren Elektronen der Atomhülle stärker am Atomkern gebunden. Dadurch reagieren sie weniger empfindlich auf Störungen durch äußere elektromagnetische Felder.


Abb. 1. Künstlerische Darstellung des Ionenpaars: lasergekühltes Be⁺ (u.r.) und hochgeladenes Ar¹³⁺ (o.l.).

Publikation:


P. Micke, T. Leopold, S. A. King, E. Benkler, L. J. Spieß, L. Schmöger, M. Schwarz, J. R. Crespo López-Urrutia, P. O. Schmidt
Coherent laser spectroscopy of highly charged ions using quantum logic
Nature 578 (2020)

DOI: 10.1038/s41586-020-1959-8



Hingegen sind Effekte der speziellen Relativitätstheorie und Quantenelektrodynamik sowie auch die Wechselwirkung mit dem Atomkern gegenüber neutralen und einfach geladenen Atomen erheblich verstärkt. Hochgeladene Ionen stellen somit ideale Systeme für genaue Atomuhren dar, mit denen sich fundamentale Physik testen lässt. Hierbei dienen in der Regel die äußeren Elektronen als empfindliche „Quantensensoren“ z. B. für bislang unbekannte Kräfte und Felder. Darüber hinaus gibt es eine ungeheure Vielfalt dieser atomaren Systeme, da jedes einzelne Element des Periodensystems so viele Ladungszustände bietet, wie es Elektronen in der Hülle besitzt.


Abb. 2. Implantation des Ar¹³⁺-Ions in den lasergekühlten Be⁺-Ionenkristall und Übergang zur Quantenlogik-Anordnung mit einem Ionenpaar.

Bisher waren an hochgeladenen Ionen allerdings Messungen, wie sie in optischen Atomuhren schon längst etabliert sind, unerreichbar. Das wesentliche Hindernis liegt schon im Prozess ihrer Herstellung: Sie müssen mit viel Energie erzeugt werden und existieren dann in Form eines Plasmas, das so heiß ist wie die Sonne selbst. Die präzisesten Experimente erfordern aber das genaue Gegenteil – tiefste Temperaturen und gut kontrollierbare Umgebungsbedingungen, um Verschiebungen und Verbreiterungen der zu messenden Spektrallinien zu reduzieren. Darüber hinaus lassen sich hochgeladene Ionen aufgrund ihrer Atomstruktur praktisch nicht laserkühlen, und auch übliche Nachweisverfahren sind nicht anwendbar.

Lösungen für jedes einzelne dieser Probleme haben jetzt Physiker von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und dem Heidelberger Kernphysik'>Max-Planck-Institut für Kernphysik in einem weltweit einmaligen Experiment am QUEST-Institut für experimentelle Quantenmetrologie in Braunschweig vereinigt. Sie isolierten ein einzelnes hochgeladenes Ion (Ar¹³⁺) aus einer heißen Plasma-Ionenquelle und speicherten es zusammen mit einem einfach geladenen Beryllium-Ion in einer Ionenfalle. Letzteres lässt sich sehr effizient laserkühlen und durch die gegenseitige elektrische Wechselwirkung auch die Temperatur des gesamten Ionenpaars reduzieren. Durch dieses sogenannte „mitfühlende Kühlen“ bildet sich schließlich ein Zwei-Ionen-Kristall, der komplett „einfriert“ und den quantenmechanischen Grundzustand der Bewegung erreicht, dem man eine Temperatur von nur wenigen millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt zuweisen kann.

Mit einem ultrastabilen Laser haben die Wissenschaftler in einem Messverfahren, wie es auch für modernste Atomuhren üblich ist, die spektrale Struktur des Ar¹³⁺-Ions präzise aufgelöst. Dazu setzten sie das Konzept der Quantenlogik ein, bei dem sie das gesuchte Spektroskopie-Signal vom hochgeladenen Ion über zwei Laserpulse auf das Beryllium-Ion übertragen. Der quantenmechanische Zustand dieses Ions ist mittels Laseranregung wesentlich leichter zu bestimmen. „Anschaulich ‚belauscht‘ das Beryllium-Ion das weniger kommunikative hochgeladenen Ion und berichtet uns über dessen Zustand“ erläutert Piet Schmidt, Leiter der Kollaboration. „Die relative Präzision wurde hier für hochgeladenen Ionen um das 100-millionenfache gegenüber traditioneller Spektroskopie verbessert“, ergänzt Peter Micke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am QUEST Institut und Erstautor der Arbeit.

Die Kombination all dieser Methoden stellt ein ganz allgemeines Konzept dar, das prinzipiell auf die meisten hochgeladenen Ionen anwendbar ist. Das Beryllium-Ion ist als sogenanntes Logik-Ion stets einsetzbar, und der Produktionsprozess der hochgeladenen Ionen im Plasma mit der anschließenden Isolation eines einzelnen hochgeladenen Ions ist völlig unabhängig von der Wahl der atomaren Sorte und des Ladungszustandes.

José Crespo, Leiter der beteiligten Arbeitsgruppe am Kernphysik'>Max-Planck-Institut für Kernphysik, betont: „Dieses Experiment erschließt beispielhaft einen äußerst umfangreichen, zuvor unzugänglichen Bereich atomarer Systeme für den Einsatz in der Präzisionsspektroskopie und für zukünftige Uhren mit besonderen Eigenschaften.“ Für die Grundlagenforschung wird somit durch die große Vielfalt dieser neuartigen, maßgeschneiderten „Quantensensoren“ eine vielversprechende Auseinandersetzung mit fundamentalen Fragestellungen möglich: Ist unser Standard Modell der Teilchenphysik vollständig? Was ist Dunkle Materie? Sind unsere Fundamentalkonstanten wirklich konstant?


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt







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