Ladungsradien der Quecksilberkerne 207Hg und 208Hg wurden erstmals vermessen

Ladungsradien der Quecksilberkerne 207Hg und 208Hg wurden erstmals vermessen

Physik-News vom 25.01.2021
 

Was hält Atomkerne im Innersten zusammen? Das können Physikerinnen und Physiker anhand von Präzisionsmessungen des Gewichts, der Größe und der Form von Atomkernen erkennen. Ein internationales Forschungsteam hat nun die kurzlebigen Quecksilberisotope 207Hg und 208Hg untersucht. Dazu wurden laserspektroskopische Messungen am europäischen Forschungszentrums CERN durchgeführt. Auf Grundlage der Messungen können theoretische Vorhersagen über Kräfte und Strukturen innerhalb der Kerne überprüft werden.

Ähnlich wie die Elektronen in den Atomhüllen bilden auch die Bausteine der Atomkerne, die Protonen und Neutronen, Schalenstrukturen. Bei einer Anzahl von jeweils 8, 20, 28, 50, 82 oder 126 – auch bekannt als magische Zahlen der Kernphysik – sind Schalenabschlüsse erreicht. Diese Atomkerne sind besonders stabil. Die chemischen Elemente sind definiert durch die Anzahl der Protonen in ihren Atomkernen. Obwohl nur die Protonen elektrisch geladen sind, hängt der Kernladungsradius auch von der Anzahl der Neutronen im Kern ab. Daher unterscheiden sich die Kernladungsradien der verschiedenen Isotope eines Elements.


Dinko Atanasov und Frank Wienholtz (rechts) hinter der MR-ToF MS-Komponente der ISOLTRAP-Apparatur in der ISOLDE-Experimentierhalle am CERN.

Publikation:


T. Day Goodacre et al.
Laser spectroscopy of neutron-rich 207,208Hg isotopes: Illuminating the kink and odd-even staggering in charge radii across the N = 126 shell closure
Physical Review Letters. 2021: 126

DOI: 10.1103/PhysRevLett.126.032502



Zwar gilt im Allgemeinen: Je mehr Neutronen ein Kern besitzt, desto größer ist sein Radius. Doch es gibt einige Besonderheiten. Die konkrete Verteilung der Protonen im Kern wird beeinflusst von der Verteilung der Neutronen. Diese wiederum hängt entscheidend von der Anzahl der Neutronen ab. Ist ein Schalenabschluss erreicht, so müssen weitere Neutronen auf die nächste Schale ausweichen. Daher steigt nach einem Schalenabschluss der Ladungsradius mit zunehmender Neutronenzahl deutlich stärker an als zuvor. Auch die Form der Kerne kann sich nach einem Schalenabschluss sprungartig ändern. Hinzu kommen Gerade-Ungerade-Effekte. Das sind systematische Veränderungen der Kernladungsradien zwischen Kernen mit gerader und ungerader Neutronenzahl.

„Den Geheimnissen der Größen- und Formänderungen der Atomkerne geht man mit Hilfe von laserspektroskopischen Methoden auf den Grund. Mit unseren Messungen haben wir die Ladungsradien der neutronenreichen Quecksilberkerne 207Hg und 208Hg untersucht. Beide Kerne haben die gleiche Protonenanzahl Z=80. Hinsichtlich der Neutronenzahl übertreffen sie daher eine magische Zahl: 207Hg hat mit 127 Neutronen ein Neutron mehr und 208 mit 128 Neutronen sogar zwei mehr als die magische Zahl 126. Wir konnten nun erstmals die Ladungsradien dieser beiden Isotope experimentell bestimmen und mit entsprechenden Rechnungen vergleichen. Neben einer Steigungsänderung nach Schalenabschluss, haben wir bei den untersuchten Quecksilberkernen auch den Gerade-Ungerade-Effekt zwischen benachbarten Isotopen nachweisen können“, berichtet Dr. Frank Wienholtz, der zum Zeitpunkt der Messungen Doktorand in der Greifswalder Arbeitsgruppe Atom- und Molekülphysik war.


Die Grafik zeigt den Anstieg des mittleren quadratischen Ladungsradius (r2) von neutronenreichen Quecksilberatomkernen in Abhängigkeit von der Neutronenzahl. In den gemittelten quadratischen Ladungsradius geht nicht nur das Volumen der Kerne, sondern auch deren Form ein. Die Abbildung illustriert zum einen die verschiedenen Kernformen in Abhängigkeit von der Neutronenzahl N. Zudem wird deutlich, dass Quecksilberatome mit einer Neutronenzahl zwischen 100 und 105 einen auffälligen Gerade-Ungerade-Effekt (Zickzack-Verhalten) zwischen benachbarten Isotopen aufweisen. Die neuen Messungen betreffen den steileren Anstieg der Ladungsradien der Quecksilberistope 206Hg, 207Hg und 208Hg (rot markiert). Diese Steigungsänderung konnte nun experimentell erstmals bestimmt und durch neue Berechnungen nachvollzogen werden.

Mit Halbwertszeiten von 2,9 und 42 Minuten gelten 207Hg und 208Hg als instabile Atomkerne. Für die Messungen müssen die radioaktiven Quecksilberisotope also zunächst aufwändig hergestellt werden. Dazu wird an der ISOLDE-Apparatur (https://home.cern/science/experiments/isolde)des CERN (https://home.cern)flüssiges Blei (Z=82) mit hochenergetischen Protonen beschossen. Auf diese Weise können die exotischen Quecksilberatome produziert werden, allerdings nur in geringsten Mengen. Bei der Herstellung der Quecksilberisotope werden außerdem stabile 207Pb- und 208Pb-Bleiatome freigesetzt. Sie verunreinigen die Probe.



Zur Bestimmung der Kernladungsradien der Quecksilberatome werden die Atome mittels mehrfacher Laserübergänge ionisiert. Aus den Resonanzfrequenzen der Laserionisation ergeben sich die gesuchten Kerneigenschaften. Allerdings werden bei derartigen Experimenten auch eine große Anzahl anderer Teilchen ionisiert. Die geringen Mengen an Quecksilberionen, für die sich die Forschenden interessieren, müssen daher von den Kontaminationsionen der fast gleich schweren Bleiatome unterschieden werden. Diese Aufgabe leistet das hochempfindliche und hochselektive Greifswalder Multireflexions-Flugzeit-Massenspektrometer der ISOLTRAP-Apparatur isoltrap.web.cern.ch am CERN. Neben der Größe der Ladungsradien wurde mit Hilfe dieses Greifswalder Spektrometers auch die Masse der Atomkerne präzise bestimmt. Die Ergebnisse der Massenmessungen werden, analog zu früheren Experimenten an exotischen Kalziumatomen, zurzeit noch ausgewertet.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Greifswald via Informationsdienst Wissenschaft erstellt







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