Jet/Hüllen-Rätsel in Gravitationswellenereignis gelöst

Jet/Hüllen-Rätsel in Gravitationswellenereignis gelöst


Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Astronomen des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie hat Radioteleskope auf fünf Kontinenten miteinander verknüpft, um das Vorhandensein eines stark gebündelten Materiestrahls, eines sogenannten Jets zu beweisen, der vom Überrest des bisher einzigen bekannten Gravitationswellenereignisses ausgeht, bei dem zwei Neutronensterne miteinander verschmolzen. Bei den Beobachtungen im weltweiten Netzwerk spielte das 100-m-Radioteleskop in Effelsberg eine wichtige Rolle.

Im August 2017 wurde zum ersten Mal die Verschmelzung zweier sehr kompakter Sternüberreste, sogenannter Neutronensterne, beobachtet, deren vorhergehende Umkreisung auf immer engerer Bahn Gravitationswellen aussandte, die von den LIGO-Detektoren in Amerika und dem VIRGO-Detektor in Europa registriert wurden. Neutronensterne sind extrem verdichtete Sterne mit ungefähr der gleichen Masse wie unsere Sonne, aber das Ganze konzentriert auf ein Volumen nicht größer als eine Stadt wie Köln. Die Verschmelzung der Neutronensterne erfolgte in einer 130 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie in Richtung des Sternbilds Hydra (Wasserschlange) und ist das erste Ereignis dieser Art, das von der Erde aus beobachtet werden konnte.


Das weltweite Netzwerk aller Einrichtungen, die an der vorliegenden Beobachtung teilgenommen haben.

Publikation:


G. Ghirlanda, et al.
(Re)solving the jet/cocoon riddle of the first gravitational wave electromagnetic counterpart
Science, 21. Februar 2019

DOI: 10.1126/science.aau8815



Astronomen verfolgten dieses Ereignis und die weitere Entwicklung des Systems über das gesamte elektromagnetische Spektrum, von Röntgen- und Gamma- bis zu Radiowellenlängen. Zweihundert Tage nach der Verschmelzung, am 12. März 2018, kombinierte ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Giancarlo Ghirlanda vom Nationalen Institut für Astrophysik in Italien (INAF) die Daten von dreiunddreißig Radioteleskopen auf fünf Kontinenten (Europa, Afrika, Asien, Ozeanien, und Nordamerika), um zu zeigen, dass ein gebündelter Materialstrahl (ein sogenannter Jet) von dem Überrest der Verschmelzung ausgeht.


Interferometrisches Bild der Quelle aus der Verbindung von dreiunddreißig Radioteleskopen auf fünf Kontinenten (Falschfarbenbild mit Quelle als rötlicher Fleck etwas links von der Bildmitte).

Die beobachtete Verschmelzung von Neutronensternen hat es zum ersten Mal möglich gemacht, ein Gravitationswellenereignis mit einem Objekt in Verbindung zu bringen, das Licht (oder allgemeiner: elektromagnetische Strahlung) aussendet. Damit konnten wissenschaftliche Theorien bestätigt werden, die bereits jahrzehntelang diskutiert wurden und es zeigte sich eine Verbindung der Verschmelzung von Neutronensternen mit einer der energiereichsten Explosionen im Universum, nämlich Gammastrahlungsausbrüchen. Nach der Verschmelzung wird eine riesige Menge von Material in den Weltraum hinausgeschleudert und bildet eine Materiescheibe um das Zentrum. Es bleiben allerdings noch Fragen, die nicht durch die vorherigen Beobachtungen beantwortet werden konnten.

„Wir erwarteten, dass ein Teil dieses Materials durch einen stark gebündelten Jet ausgestoßen wird, aber es war nicht klar, ob der Jet die umgebende Hülle durchstoßen könnte”, erklärt Girlanda. „Es gab zwei konkurrierende Szenarien: In einem Fall bricht der Jet nicht durch die Hülle, sondern führt zu einer sich ausdehnenden Blase, wo er auf das Hüllenmaterial trifft. Im anderen Fall durchstößt der Jet erfolgreich die Hülle und breitet sich dann weiter in den Raum aus.” führt Tiziana Venturi (INAF) aus. Nur durch hochempfindliche und hochaufgelöste Bilder der Quelle im Radiobereich können die beiden Fälle voneinander unterschieden werden. Um dies zu erreichen, benutzten die Astrophysiker eine Technik, bei der Radioteleskope auf der ganzen Welt zu einem großen virtuellen Teleskop kombiniert werden.

Insgesamt dreiunddreißig Radioteleskope kamen bei den Beobachtungen zum Einsatz. Sie umfassen das europäischen VLBI-Netzwerk mit Teleskopen in Spanien, Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland, Italien, Schweden, Polen, Lettland, Südafrika, Russland und China, weiterhin e-MERLIN in Großbritannien, das Australian Long Baseline Array in Australien und Neuseeland, sowie das „Very Long Baseline Array“ in den USA.

„Dabei spielte unser 100-m-Radioteleskop in Effelsberg aufgrund seiner hohen Empfindlichkeit und exzellenten Leistungsfähigkeit eine entscheidende Rolle“, sagt Carolina Casadio, ein Mitglied des Forschungsteams vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR).

Die Daten aller dieser Teleskope wurde dann zum „Joint Institute for VLBI-ERIC“ (JIVE) in den Niederlanden gesandt und dort zu einem Datensatz verbunden. Dadurch erhielten die Astrophysiker ein Bild mit einer Auflösung, die hoch genug wäre, um einen Menschen auf dem Mond zu erkennen. In der gleichen Analogie würde die scheinbare Größe der sich ausdehnende Blase einem Truck auf dem Mond entsprechen, während die scheinbare Größe des Jets viel kleiner wäre.

„Durch den Vergleich der beobachteten Bilder mit den Bildern von theoretischen Modellen haben wir herausgefunden, dass nur ein erfolgreicher Jet kompakt genug ist, um die beobachtete Größe der Quelle zu erklären”, sagt Om Sharan Salafia (INAF). Das Team fand heraus, dass der Jet so viel Energie enthält wie alle Sterne in unserer Galaxie zusammen in einem Jahr produzieren. „Und all diese Energie ist auf ein Gebiet von weniger als einem Lichtjahr begrenzt”, ergänzt Zsolt Paragi (JIVE).

„Innerhalb von Europa nutzen wir unser RadioNet-Konsortium für den effizienten Einsatz der Radioteleskope in unseren Mitgliedsstaaten. Die hier vorgestellten Beobachtungen kombinieren Radioteleskope nicht nur in Europa, sondern weltweit. Es erfordert einen sehr gut koordinierten Einsatz der beteiligten Observatorien und Einrichtungen, um derart herausragende Ergebnisse zu erzielen“, erklärt Anton Zensus, Direktor am MPIfR und Koordinator des RadioNet-Konsortiums.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt







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