Extrem hochfrequentes Zwitschern vermessen

Extrem hochfrequentes Zwitschern vermessen

Physik-News vom 28.01.2021
 

In einem neuen Verfahren vermag ein ultraschneller Plasmaschalter Teile hochfrequenter Lichtblitze zeitlich abzuschneiden. Billionenfach schneller von Licht- als von Schallwellen getragen, erinnern diese an Vogelstimmen und Grillengesänge. Dieses Verständnis eröffnet neue Möglichkeiten für die Optimierung modernster Lichtquellen und der Steuerung elementarer Bewegungen in Molekülen.

Ultrakurze intensive Licht- bzw. Laserpulse sind ein wichtiges Instrument in der modernen Atom- und Molekülphysik. Diese erlauben nicht nur eine detaillierte Untersuchung der Struktur von atomaren und molekularen Systemen, sondern auch die gezielte Beeinflussung der durch die Wechselwirkung mit dem Lichtfeld ausgelösten Reaktionen. Neuartige Strahlungsquellen wie Freie-Elektronen-Laser liefern Lichtblitze im fernen Ultraviolett- (XUV) bis Röntgenbereich und eröffnen diesem Forschungsgebiet in revolutionärer Weise neue Möglichkeiten.

Publikation:


Thomas Ding, Marc Rebholz, Lennart Aufleger, Maximilian Hartmann, Veit Stooß, Alexander Magunia, Paul Birk, Gergana Dimitrova Borisova, David Wachs, Carina da Costa Castanheira, Patrick Rupprecht, Yonghao Mi, Andrew R. Attar, Thomas Gaumnitz, Zhi-Heng Loh, Sebastian Roling, Marco Butz, Helmut Zacharias, Stefan Düsterer, Rolf Treusch, Arvid Eislage, Stefano M. Cavaletto, Christian Ott and Thomas Pfeifer
Measuring the frequency chirp of extreme-ultraviolet free-electron laser pulses by transient absorption spectroscopy
Nature Communications

DOI: 10.1038/s41467-020-20846-1

Physikerinnen und Physiker der Gruppe um Christian Ott in der Abteilung von Thomas Pfeifer des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) haben in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forschungsteam eine neue Methode zur direkten Charakterisierung von XUV-Pulsen entwickelt. Im Fokus steht hierbei der „Chirp“ (engl. „Zwitschern“) eines Laserpulses, in dessen zeitlichem Verlauf sich die Frequenz der Lichtschwingung ändert. Dies ist von zentraler Bedeutung, da ein Atom oder Molekül aufgrund seiner Quantenstruktur sehr spezifisch auf die Lichtfrequenz reagiert und zudem seine Struktur unter Einfluss des Laserpulses dynamisch ändern kann. Mit einem kontrollierten Chirp ließe sich die Frequenz daran anpassen, um dabei bestimmte Übergänge anzusprechen. Das Experiment zur direkten Vermessung des Chirps solcher Laserpulse fand am Freie-Elektronen-Laser FLASH in Hamburg (DESY) statt. Die verwendeten XUV-Laserpulse haben eine Dauer von ca. 100 Femtosekunden (fs). Eine Femtosekunde ist der Millionste Teil einer Milliardstel Sekunde.

Zur gleichzeitigen Messung der zeitlichen (Wellenform) und spektralen (Frequenz) Signatur des Laserpulses kam eine Pump-Probe-Anordnung mit zwei zeitlich versetzten Laserpulsen zum Einsatz (Abb. 1): Diese werden auf ein dichtes Neongas fokussiert und dahinter in einem Spektrometer hinsichtlich ihrer Frequenz bzw. Photonenenergie analysiert. Der erste Puls („Pump“) ionisiert effizient das Target, so dass sich zeitlich rasch bis zu 70% zweifach geladene Ne²⁺-Ionen anreichern. Diese sind ist für die XUV-Strahlung nahezu transparent, während neutrales und einfach geladenes Neon noch recht stark absorbiert. „Dieses Plasmatarget wirkt somit wie ein ultraschneller Schalter für die Transmissionseigenschaften“, erläutert Thomas Ding, Erstautor der Publikation: „Vom zweiten Puls („Probe“) werden dann – abhängig vom zeitlichen Versatz – nur die Anteile der Wellenform durchgelassen, welche das ionisierte transparente Medium vorfinden; die Wellenform wird also mit einem zeitlichen Messer abgeschnitten.“


Abb. 2: Relative Absorption des Probe-Pulses in Abhängigkeit von der Photonenenergie und vom zeitlichen Versatz zum Pump-Puls.

Abb. 2 zeigt das gemessene Resultat für die relative Absorption in Abhängigkeit von der Photonenenergie und dem zeitlichen Versatz der beiden Pulse. Oben ist noch einmal das Frequenzspektrum der recht breitbandigen Pulse dargestellt. Im untersuchten Fall liegen die höheren Energien bzw. Frequenzen zeitlich vorn im Probe-Puls und werden daher erst bei größerem positiven Versatz (d.h. der Pump-Puls eilt voraus) durchgelassen als die später folgenden niederfrequenten Anteile – wie in der Abbildung durch die Messer-Symbole angedeutet. Die zeitliche Absorptionskante verläuft daher schräg und leicht gekrümmt. Aus ihrem Verlauf lässt sich somit der zeitliche Frequenzgang im Puls (Chirp) direkt bestimmen. Dies ist auch in guter Übereinstimmung mit Simulationsrechnungen.



Videobeispiel einer Kette von 10 Pulsen mit fallender Frequenz (Chirp). Die Zeitskala ist um einen Faktor von zwei Billionen in den hörbaren Bereich transponiert.


Ein solcher Chirp ist in dem Videobeispiel mit zehn aufeinanderfolgenden Pulsen zu hören. Der zeitliche Verlauf wurde dafür um einen Faktor von zwei Billionen verlangsamt, um die Frequenzen in einen hörbaren Bereich zu transponieren – es erinnert an das Zwitschern eines Vogels oder das Zirpen einer Grille (Link zu SoundBite). In jedem einzelnen Puls fällt die Tonhöhe etwas ab, obgleich alle Pulse unterschiedliche Wellenformen haben.

Gruppenleiter Christian Ott über das Potenzial der neuen Messmethode: „Diese erlaubt einen direkten Zugriff auf die zeitliche und spektrale Signatur der FEL-Pulse. Für sichtbares Licht (optische Laser) ist dies bereits etabliert. Die Realisierung im kurzwelligen XUV- bis Röntgenbereich erlaubt eine viel präzisere Ansteuerung einzelner Atome in größeren Molekülen. Dies ist auch ein Schlüssel-Baustein für nichtlineare multidimensionale Spektroskopie im Röntgenbereich mit ultrakurzen breitbandigen Attosekunden-(X)FEL-Pulsen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Kernphysik via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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