Ein außergewöhnlich kraftvolles Trio in der Großen Magellanschen Wolke

Ein außergewöhnlich kraftvolles Trio in der Großen Magellanschen Wolke

Physik-News vom 23.01.2015
 

Einmal mehr hat das Gammastrahlen-Observatorium H.E.S.S. sein Entdeckerpotenzial unter Beweis gestellt.

Einmal mehr hat das Gammastrahlen-Observatorium H.E.S.S. sein Entdeckerpotenzial unter Beweis gestellt. In der Großen Magellanschen Wolke entdeckte es extrem leuchtstarke Höchstenergie-Gammastrahlenquellen: es handelt sich um drei verschiedenartige Objekte, nämlich den stärksten Pulsarwindnebel, den stärksten Supernova-Überrest und eine 270 Lichtjahre große Schale, aufgeblasen von mehreren Supernovae und Sternen – eine sogenannte Superschale. Damit gelang es zum ersten Mal, in einer fremden Galaxie gleich mehrere sternähnliche Gammastrahlenquellen bei höchsten Energien zu beobachten. Zugleich ist die Superschale der erste Vertreter einer neuen Klasse von Höchstenergie-Gammastrahlenquellen.


Optisches Bild der Milchstraße und ein Kompositbild (optisch, Hα) der Großen Magellanschen Wolke mit darübergelegten H.E.S.S.-Himmelskarten.

Publikation:


H.E.S.S. Collaboration
The exceptionally powerful TeV γ-ray emitters in the Large Magellanic Cloud
Science

DOI: 10.1126/science.1261313



Kosmische Beschleuniger, vor allem Supernova-Überreste und Pulsarwindnebel, also Endprodukte massereicher Sterne, machen sich durch höchstenergetische Gammastrahlen bemerkbar. Dort werden geladene Teilchen auf extreme Geschwindigkeiten beschleunigt. Wenn sie auf das umgebende Medium – entweder interstellares Gas oder Licht – treffen, entsteht Gammastrahlung. Höchstenergetische Gammastrahlen aus dem Kosmos können am Erdboden gemessen werden. Beim Eintritt in die Atmosphäre verursachen sie Kaskaden geladener Sekundärteilchen, sogenannte Teilchenschauer. Diese emittieren extrem kurze bläuliche Lichtblitze (Tscherenkow-Licht), die mit großen Spiegelteleskopen und schnellen Lichtsensoren beobachtbar sind.

Die Große Magellansche Wolke (LMC) ist eine Zwerg-Satellitengalaxie unserer Milchstraße in einer Entfernung von ungefähr 170.000 Lichtjahren, die wir als Scheibe sehen. In ihr entstehen ständig neue massereiche Sterne, und sie beherbergt zahlreiche massereiche Sternhaufen. Die Rate, mit der neue massive Sterne gebildet werden und am Ende ihres Lebens als Supernovae explodieren, ist in der LMC im Verhältnis zu ihrer Sternmasse ist fünf Mal höher als in der Milchstraße. Der jüngste Supernova-Überrest in unserer lokalen Galaxiengruppe, SN 1987A, befindet sich ebenfalls in der LMC. Nicht zuletzt deshalb beobachten die Wissenschaftler der H.E.S.S.-Kollaboration dieses kosmische Objekt ausgiebig, auf der Suche nach höchstenergetischer Gammastrahlung, über die man den Aufbau der Teilchenbeschleunigung in der jungen Sternexplosion zu verstehen hofft.

Insgesamt 210 Stunden haben die Astrophysiker die H.E.S.S.-Teleskope auf die größte Sternbildungsregion in der LMC, bekannt als Tarantelnebel, gerichtet. Dabei gelang es ihnen zum ersten Mal, mehrere Quellen höchstenergetischer Gammastrahlung in einer Galaxie außerhalb der Milchstraße aufgelöst abzubilden: drei verschiedenartige, extrem energiereiche Objekte.

Bei der sogenannten Superschale 30 Dor C handelt es sich um die größte bekannte Röntgenstrahlung emittierende Schale, die wohl durch mehrere Supernova-Explosionen und starke Sternenwinde entstanden ist. Superschalen werden als Produzenten galaktischer kosmischer Strahlung diskutiert – zusätzlich oder alternativ zu einzelnen Supernova-Überresten. Die Ergebnisse von H.E.S.S. zeigen, dass diese Superschale eine Quelle hochenergetischer Teilchen ist, mit denen sie gefüllt ist. 30 Dor C ist der erste Vertreter einer neuen Klasse von Höchstenergie-Gammastrahlenquellen.

Pulsare sind hoch magnetisierte, schnell rotierende Neutronensterne, die einen Wind ultrarelativistischer Teilchen emittieren und so einen Nebel bilden. Das bekannteste Exemplar ist der Krebsnebel, eine der hellsten Quellen am Hochenergie-Gammahimmel. Der Pulsar PSR J0537−6910 mit seinem Nebel N 157B, den die H.E.S.S.-Teleskope in der LMC entdeckt haben, ist in vielerlei Hinsicht ein Zwilling des sehr starken Krebspulsars in unserer eigenen Galaxis. Allerdings leuchtet sein Pulsarwindnebel N 157B im höchstenergetischen Gammalicht um eine Größenordnung heller als der Krebsnebel. Verantwortlich dafür ist das schwächere Magnetfeld in N 157B und das intensive Sternenlicht aus benachbarten Sternbildungsgebieten, die beide die Erzeugung hochenergetischer Gammastrahlung fördern.

Der Supernova-Überrest N 132D, als ein helles Objekt im Radiowellen- und Infrarotbereich bekannt, scheint einer der ältesten – und stärksten – Supernova-Überreste zu sein, der noch im höchstenergetischen Gammalicht leuchtet. Er ist zwischen 2500 und 6000 Jahre alt und immer noch heller als die stärksten Supernova-Überreste in der Milchstraße, obwohl Modelle vorhersagen, dass in diesem Alter die Supernova-Explosionsfront schon so langsam sein sollte, dass sie kein effizienter Teilchenbeschleuniger mehr ist. Die Ergebnisse bestätigen die Vermutung aus anderen Beobachtungen mit H.E.S.S., dass Supernova-Überreste wesentlich leuchtstärker sein können als bisher angenommen.

Sich teilweise überlappend und an der Nachweisgrenze des Instruments waren diese neuen Quellen eine Herausforderung für die H.E.S.S.-Wissenschaftler. Die Entdeckungen gelangen ihnen nur mit neu entwickelten Methoden zur Interpretation der von den Teleskopen aufgenommenen Tscherenkow-Bilder. So konnten sie insbesondere die Genauigkeit bei der Bestimmung der Richtung, aus der die Gammastrahlen kommen, verbessern.

„Sowohl der Pulsarwindnebel als auch der Supernova-Überrest, die H.E.S.S. in der Großen Magellanschen Wolke entdeckt hat, sind energiereicher als ihre stärksten Verwandten in der Milchstraße. Offensichtlich sorgt die hohe Sternbildungsrate in der LMC dafür, dass dort äußerst extreme Objekte entstehen”, fasst Chia Chun Lu zusammen, die in ihrer Dissertation die LMC-Daten ausgewertet hat. „Überraschenderweise zeigte sich der junge Supernova-Überrest SN 1987A jedoch nicht, trotz entsprechender theoretischer Vorhersagen. Aber wir werden weiter danach suchen”, ergänzt ihr Doktorvater Werner Hofmann, Direktor am MPI für Kernphysik in Heidelberg und langjähriger Sprecher der H.E.S.S.-Kollaboration.

Das neue 28-m-H.E.S.S. II-Teleskop steigert die Leistungsfähigkeit des H.E.S.S.-Teleskopsystems, und in Zukunft wird das geplante Cherenkov Telescope Array (CTA) noch empfindlichere und höher aufgelöste Gammalicht-Bilder der LMC liefern – in den Wissenschafts-Planungen für CTA ist unsere Satellitengalaxie bereits als ein wichtiges Projekt enthalten.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt







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