Mit Physik mehr Bier im Glas

Mit Physik mehr Bier im Glas

Physik-News vom 19.01.2022
 

Ist Schaum in der Badewanne oder auf dem Bier durchaus gewünscht, ist die Vermeidung von Schaum – beispielsweise in industriellen Prozessen – ein viel diskutiertes Thema. Oftmals werden Flüssigkeiten Öle oder Teilchen hinzugefügt, um Schaumbildung zu verhindern. Wenn diese gesundheits- oder umweltschädlich sind, müssen sie aber mit aufwändigen Methoden wieder entfernt werden. Ein Forscherteam hat nun gezeigt, dass sogenannte “superamphiphobe Oberflächen” zur Schaumvermeidung verwendet werden können.

Schaumbildung und eine lange Haltbarkeit des Schaums ist beispielsweise bei Bier in einem Glas gewünscht – bei der Bierabfüllung sollte Schaum jedoch vermieden werden, um den Abfüllprozess zu beschleunigen. Auch in anderen industriellen Prozessen ist Schaumbildung oft unerwünscht, insbesondere, wenn es zu Verschüttungen oder zu Belastungen der Umwelt kommt.

In Schäumen sind benachbarte Luftblasen durch einen dünnen Flüssigkeitsfilm voneinander getrennt. Stabilisiert wird der Flüssigkeitsfilm durch oberflächenaktive Stoffe wie Tenside, Lipide oder Proteine, die sich an der Wasser-Luft-Grenzfläche anlagern.


Eine superamphiphobe Oberflächenbeschichtung auf einem Glas kann Schaumbildung ohne Einsatz von Additiven reduzieren oder gar verhindern – wichtig beispielsweise bei industriellen Abfüllprozessen.

Publikation:


Wong, W. S. Y.; Naga, A.; Hauer, L.; Baumli, P.; Bauer, H.; Hegner, K. I.; D'Acunzi, M.; Kaltbeitzel, A.; Butt, H.-J.; Vollmer, D.
Super liquid repellent surfaces for anti-foaming and froth management
Nature Communications 12 (1), 5358 (2021)

DOI: 10.1038/s41467-021-25556-w



Viele Flüssigkeiten, wie z. B. Bier, enthalten solche grenzflächenaktive Moleküle. Zur Vermeidung von Schaum müssen deshalb zusätzliche Chemikalien zugesetzt werden, wie beispielsweise Öle, Wachse oder Mikropartikel. Sie unterstützen, dass benachbarte Luftblasen miteinander verschmelzen und somit Schaum schnell zerfällt.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Doris Vollmer, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Polymerforschung im Arbeitskreis von Hans-Jürgen Butt, haben nun die Wirkung von superamphiphoben Oberflächen auf Schaum näher untersucht. Diese Oberflächen besitzen eine mikroskopische Rauigkeit und verhindern so, dass Flüssigkeiten an ihnen haften: Die Flüssigkeit sitzt auf kleinen, nur wenige Mikrometer – also millionstel Meter – großen Säulen und einer kontinuierlichen Luftschicht, ähnlich wie ein Fakir auf einem Nadelbrett. Bekannt ist dieser Effekt beispielsweise vom Lotusblatt.

„Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir mit solchen Oberflächen die Bildung von Schaum verhindern können oder auch bereits existierenden Schaum auflösen können“, so William Wong, Erstautor der Studie. Die Idee dahinter ist, dass die feinen Säulen bei Kontakt die Blasen des Schaums destabilisieren und zum Platzen bringen, ähnlich wie wenn mit einer Nadel in einen Luftballon gestochen wird. Die Luft im Schaum wird dann freigesetzt, und kann durch die kontinuierliche Luftschicht in der superamphiphoben Schicht entweichen. Das Resultat: Der Schaum löst sich auf, ohne dass chemische Zusätze oder mechanisches (energieaufwändiges) Rühren erforderlich sind.

Zum experimentellen Nachweis ihrer Idee haben die Forscherinnen und Forscher Gläser innen mit einer dünnen, superamphiphoben Schicht beschichtet und danach mit Bier und Seifenwasser befüllt. Um die Schaumbildung bzw. den Zerfall genau zu untersuchen kamen verschiedenste wissenschaftliche Methoden zum Einsatz, wie Highspeed-Fotografie und digitale Holographie.

„Unserer Meinung nach wurden die Eigenschaften solcher Oberflächen im Zusammenhang mit Schaum lange unterschätzt“, so Doris Vollmer. „Wir konnten zeigen, dass superamphiphobe Oberflächen bereits existierenden Schaum effizient zerstören wie auch Schaumbildung von vornherein verhindern können.“

Nach den Wissenschaftlern könnten die beschichteten Glasflächen in Zukunft helfen, Abfüllprozesse zu beschleunigen, ohne zusätzliche Stoffe hinzufügen zu müssen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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