Kriterien zur Aufnahme superschwerer chemischer Elemente in das Periodensystem

Kriterien zur Aufnahme superschwerer chemischer Elemente in das Periodensystem

Physik-News vom 25.02.2019
 

Wann genau existiert ein neu erzeugtes Element eigentlich wirklich? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit seine Messung anerkannt und das Element in das Periodensystem der chemischen Elemente aufgenommen wird? Und wem wird im Falle mehrerer Ansprüche die Entdeckung und damit das Recht auf die Namensgebung zugesprochen? Um diese Fragen in einem Feld schnell voranschreitender Technologie und freundschaftlicher internationaler Konkurrenz zu beantworten, wurden nun die Kriterien für eine Elemententdeckung überarbeitet und in einem vorläufigen Report veröffentlicht.

Damit ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der Suche nach neuen schweren Elementen festgeschrieben, was ihre Messungen und Veröffentlichungen erfüllen müssen. Der Report gibt Hilfestellung in einem Forschungsgebiet, das Professor Sigurd Hofmann, Mitautor, Elemententdecker und langjähriger Leiter der Suche nach schweren Elementen am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, als ein „Feld voller Reiz und Romantik“ beschreibt.


Die sechs Elemente mit den Ordnungszahlen 107 bis 112 wurden bei GSI entdeckt.

Publikation:


Sigurd Hofmann, Sergey N. Dmitriev, Claes Fahlander, Jacklyn M. Gates, James B. Roberto, Hideyuki Sakai
On the discovery of new elements (IUPAC/IUPAP Provisional Report).
Provisional Report of the 2017 Joint Working Group of IUPAC and IUPAP

De Gruyter

DOI: https://doi.org/10.1515/pac-2018-0918



„Die Begriffe Reiz und Romantik erwartet man eher nicht in einem so technischen Gebiet“, erläutert Hofmann, der mittlerweile nicht mehr aktiv forscht, jedoch weiterhin mit großem Eifer ehrenamtlich die Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Ein älteres Foto: Professor Sigurd Hofmann während seiner aktiven Forschungszeit bei GSI am Experiment zur Entdeckung von neuen Elementen.

„Bereits im Vorgänger unseres Reports, der schon im Jahr 1991 veröffentlicht wurde, beschrieben die damaligen Autoren eine Elemententdeckung als von besonderer Wichtigkeit, weil sie eben nicht mit einem Kometen oder einer neuen Sorte Käfer vergleichbar sei, da davon noch viele zu erwarten sind. Bei den Elementen wissen wir, dass es nur eine begrenzte Anzahl geben kann. Wir wissen aber nicht, wie viele es sein werden. Das macht eine Elemententdeckung zu etwas Besonderem, und daran hat sich bis heute nichts geändert.“

Auf diesem Gebiet ist Hofmann Experte, gehört er doch zu den Entdeckern der insgesamt sechs Elemente mit den Ordnungszahlen 107 bis 112, die bei GSI in Darmstadt erzeugt und unter anderem nach dem Bundesland Hessen und der Stadt benannt wurden.

Der Report gibt eine Definition, was ein neues Element genau ist, und ab wann die Entdeckung als solche zu werten ist. Das entscheidende Kriterium hierbei ist der Nachweis, dass das Element tatsächlich eine andere Anzahl an Protonen im Kern aufweist als bisher bekannte Nuklide. Da neu erzeugte schwere Elemente in der Regel instabil sind, ist der naheliegende – wenngleich nicht der einzige – Weg, eine Zerfallskette des Elements zu messen, die in bereits bekannten Nukliden endet. So ist das neue Element direkt an bereits sicher nachgewiesene Kerne angekoppelt, man spricht von einer genetischen Beziehung.

Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Forscher auch zukünftige Elemente mithilfe von Fusionsexperimenten an Teilchenbeschleunigern herstellen, wie es auch schon bei den letzten Neuzugängen im Periodensystem der Fall war. Technisch kann der Nachweis dabei mit physikalischen oder chemischen Methoden erfolgen. Dazu zählen beispielsweise Separatoren, Präzisionsmassenmessungen oder Messung der für ein Element spezifischen charakteristischen Röntgenstrahlung. Die Randbedingungen für eine Entdeckung sind dabei im Report genau beschrieben. Beachtung finden auch Anmerkungen zur Systematik der Messungen und zu Messfehlern.

Liegen mehrere berechtigte Ansprüche auf Entdeckung eines neuen Elementes vor, so ist nach den Kriterien entscheidend, wer den Beitrag zu seinem Fund zuerst an ein anerkanntes Fachmagazin übermittelt hat. Nicht das Datum der Herstellung des Elements oder der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrags sind also maßgebend, sondern das Datum der Einreichung. Dabei muss unter Umständen zusätzlich eine Gewichtung der wissenschaftlichen Inhalte vorgenommen werden, so dass auch später publizierte Ergebnisse zu einer Mitentdeckerschaft führen können.

Verantwortlich für die Anerkennung eines Elements sind zwei internationale Institutionen: Die Internationalen Unionen für reine und angewandte Chemie (IUPAC) und Physik (IUPAP). Anhand der festgelegten Kriterien bewerten dort Experten die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu neuen Elementen. Sie vergeben das Recht auf die Entdeckung, das auch mit der Erlaubnis der Benennung des neues Elements – im Rahmen der vorgegebenen Benennungskriterien – einhergeht. Ein Element darf ausschließlich nach einem real existierenden Ort, nach einer Stoffeigenschaft, nach einem mythischen Begriff oder nach einer Wissenschaftlerin oder einem Wissenschaftler benannt werden.

Im Moment sind IUPAC und IUPAP in dieser Hinsicht allerdings in einer Warteposition. Denn aktuell sind alle hergestellten Elemente bis hin zu Element 118 anerkannt und benannt. Die Forschungsgemeinschaft muss sich in Geduld üben bis zur Produktion oder zum Fund eines neuen Elements, um die neuen Kriterien erstmalig anwenden zu können. „Sehr wahrscheinlich wird es sich dabei um die Elemente 119 und 120 handeln, die im Periodensystem an nächster Stelle stehen und daher am ehesten produziert werden könnten“, sagt Hofmann. „Wir sind alle gespannt, wann es soweit sein wird.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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