Experimentalphysiker definieren ultraschnellen, kohärenten Magnetismus neu

Experimentalphysiker definieren ultraschnellen, kohärenten Magnetismus neu

Physik-News vom 26.06.2019
 

Experimentalphysiker konnten erstmals das magnetische Moment von Materialien synchron zu deren elektronischen Eigenschaften direkt beeinflussen. Die gekoppelte optische und magnetische Anregung innerhalb einer Femtosekunde entspricht einer Beschleunigung um den Faktor 200 und ist das schnellste magnetische Phänomen, das bisher beobachtet werden konnte.

Elektronische Eigenschaften von Materialien lassen sich mittels Lichtabsorption direkt und unmittelbar innerhalb von weniger als einer Femtosekunde (10-15 Sekunden) beeinflussen, was als die Grenze für die maximal erreichbare Geschwindigkeit elektronischer Schaltkreise gilt. Das magnetische Moment von Materie hingegen ließ sich bis dato nur über einen Licht und Magnetismus verknüpfenden Prozess und den Umweg über Magnetfelder beeinflussen, weshalb magnetisches Schalten bisher ungleich länger und wenigstens einige hundert Femtosekunden dauert.


Aufzeichnung des schnellen Schaltens von magnetischen Momenten durch ultraschnelle Lichtimpulse.

Publikation:


Florian Siegrist, Julia A. Gessner, Marcus Ossiander, Christian Denker, Yi-Ping Chang, Malte C. Schröder, Alexander Guggenmos, Yang Cui, Jakob Walowski, Ulrike Martens, J. K. Dewhurst, Ulf Kleineberg, Markus Münzenberg, Sangeeta Sharma & Martin Schultze
Light-wave dynamic control of magnetism
Nature (2019)

DOI: 10.1038/s41586-019-1333-x



Ein Konsortium aus Forschenden der Max-Planck-Institute für Quantenoptik und Mikrostrukturphysik, des Max-Born Instituts, der Universität Greifswald und der Technischen Universität Graz konnte nun erstmals die magnetischen Eigenschaften eines ferromagnetischen Materials auf der Zeitskala von elektrischen Feldschwingungen des Lichts – und somit synchron zu den elektrischen Eigenschaften – mittels Laserblitzen manipulieren. Die Beeinflussung konnte um den Faktor 200 beschleunigt werden und wurde mittels Attosekunden-Spektroskopie gemessen sowie zeitaufgelöst dargestellt. In der Zeitschrift Nature beschreiben die Foschenden ihr Experiment.

Zusammensetzung des Materials als entscheidendes Kriterium

Bei der Attosekunden-Spektroskopie werden magnetische Materialien mit ultrakurzen Laserpulsen beleuchtet und elektronisch beeinflusst. „Die Lichtblitze setzen im Material einen intrinsischen und üblicherweise verzögernden Prozess in Gang. Dieser übersetzt die elektronische Anregung in eine Änderung der magnetischen Eigenschaften“, erklärt Martin Schultze, bis vor kurzem am Münchner Quantenoptik'>Max-Planck-Institut für Quantenoptik tätig und nun Universitätsprofessor am Institut für Experimentalphysik der TU Graz. Aufgrund der Kombination eines Ferromagnets mit einem nicht-magnetischen Metall ließ sich die magnetische Reaktion im beschriebenen Experiment jedoch genauso schnell herbeiführen, wie die elektronische. „Durch die spezielle Konstellation konnten wir optisch eine räumliche Umverteilung der Ladungsträger bewirken, die eine direkt damit verknüpfte Änderung der magnetischen Eigenschaften zur Folge hatte“, so Markus Münzenberg. Er hat mit seinem Team in Greifswald die speziellen Materialsysteme entwickelt und hergestellt.

Martin Schultze ist seit 1. März Universitätsprofessor für Experimentalphysik mit Schwerpunkt Optik und Physik des Lichts am Institut für Experimentalphysik der TU Graz.

Schultze zeigt sich begeistert von der Dimension des Forschungserfolges: „Noch nie wurde ein so schnelles magnetisches Phänomen beobachtet. Ultrafast Magnetism bekommt dadurch eine völlig neue Bedeutung.“ Auch Sangeeta Sharma, Forscherin am Max-Born-Institut Berlin, die den zugrundeliegenden Prozess mittels Computermodellen vorhergesagt hat, ist beeindruckt: „Wir erwarten uns dadurch einen signifikanten Entwicklungsschub für sämtliche Anwendungen, bei denen Magnetismus und Elektronenspin eine Rolle spielen.“

Erster Schritt in Richtung eines kohärenten Magnetismus

Darüber hinaus konnten die Forschenden im Rahmen ihrer Messungen zeigen, dass der beobachtete Prozess kohärent verläuft, die quantenmechanische Wellennatur der bewegten Ladungsträger also erhalten bleibt. Diese Bedingungen erlauben es Forschenden, anstatt größerer Materieeinheiten einzelne Atome als Informationsträger zu nutzen oder die geänderten magnetischen Eigenschaften mit einem weiteren, zeitverzögerten Laserblitz gezielt zu beeinflussen und so die technologische Miniaturisierung weiter voranzutreiben. „Perspektivisch könnte das im Bereich des Magnetismus zu ähnlich fantastischen Entwicklungen führen, wie elektronische Kohärenzen in Richtung Quantencomputing“, hofft Schultze, der am Institut für Experimentalphysik nun eine Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt auf die Attosekundenphysik leitet.

Ausbau der Spitzenforschung an der TU Graz

Gemeinsam mit seinen Grazer Kolleginnen und Kollegen will Schultze das Institut zu einem Zentrum für ultrazeitaufgelöste Spektroskopie elektronischer und magnetischer Phänomene ausbauen. Am Campus Neue Technik der TU Graz wird hierfür gerade ein modernes Laserlabor eingerichtet, das – angelehnt an die schon bestehenden Aktivitäten – die Forschung im Field of Expertise "Advanced Materials Science" an der TU Graz weiter stärkt.

Die Forschung von Martin Schultze ist im Field of Expertise „Advanced Materials Science“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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