Datenspeicher der Zukunft: Extrem kleine magnetische Nanostrukturen mit Tarnkappen beobachtet

Datenspeicher der Zukunft: Extrem kleine magnetische Nanostrukturen mit Tarnkappen beobachtet

Physik-News vom 18.10.2018
 

Neuartige Konzepte der magnetischen Datenspeicherung zielen darauf, besonders kleine magnetische Bits in einem Speicherchip hin- und herzuschicken, dicht gepackt abzuspeichern und später wieder auszulesen. Das magnetische Streufeld verhinderte bisher die Herstellung besonders kleiner Bits. Jetzt ist es Forschern des Max-Born-Institutes (MBI), des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und DESY gelungen, den magnetischen Nanostrukturen eine „Tarnkappe“ aufzusetzen. Auf diese Weise lässt sich das magnetische Streufeld so reduzieren, dass die Bits gleichzeitig klein und dennoch sehr beweglich sein können. Die Forschungsergebnisse sind in „Nature Nanotechnology“ erschienen.

Für Physiker ist Magnetismus fundamental mit Drehbewegungen von Elektronen in Atomen verknüpft. Die Elektronen, die um einen Atomkern kreisen und sich auch um sich selbst drehen, erzeugen durch diese Bewegung das magnetische Moment des Atoms. Das mit diesem magnetischen Moment verknüpfte magnetische Streufeld ist es, das wir alle von einem Stabmagneten kennen und nutzen, um Zettel an einer magnetischen Pinnwand zu befestigen. Ebenso wird das magnetische Streufeld genutzt, um magnetisch gespeicherte Information von einer Festplatte zu lesen. In heutigen Festplatten ist ein einzelnes magnetisches Bit nur etwa 15 x 45 Nanometer groß, etwa 1.000.000.000.000 von ihnen würden auf eine Briefmarke passen.


Ein magnetisches Skyrmion könnte zukünftig als ein magnetisches Bit in der Datenspeicherung für eine „1“ stehen. Das Skyrmion besteht aus einer besonderen Anordnung der magnetischen Momente benachbarter Atome, in den Bildern durch Pfeile repräsentiert. Besitzt das Skyrmion eine „Tarnkappe“, weil benachbarte magnetische Momente nahezu entgegengesetzt sind und das magnetische Streufeld verringern, so lassen sich kleinere Skyrmionen stabilisieren, so wie in der Abb. rechts gezeigt. Physiker sprechen von „antiferromagnetischer“ (AFM) statt „ferromagnetischer“ (FM) Ordnung von Momenten an benachbarten Atomen.

Publikation:


Lucas Caretta, Maxwell Mann, Felix Büttner, Kohei Ueda, Bastian Pfau, Christian M. Günther, Piet Hessing, Alexandra Churikova, Christopher Klose, Michael Schneider, Dieter Engel, Colin Marcus, David Bono, Kai Bagschik, Stefan Eisebitt and Geoffrey S. D. Beach
Fast current-driven domain walls and small skyrmions in a compensated ferrimagnet
Nature Nanotechnology, published online: 17 September 2018

DOI: https://doi.org/10.1038/s41565-018-0255-3



In neuartigen Konzepten magnetischer Datenspeicherung möchte man solche magnetischen Bits gerne durch Strompulse in einem Speicherchip hin- und herschicken, um sie an geeignetem Ort dicht gepackt zum Speichern abzulegen und später wieder auszulesen. Hier erweist sich nun das magnetische Streufeld als Fluch: Es verhindert, dass die magnetischen Strukturen noch kleiner gemacht und damit Informationen dichter gepackt werden können. Andererseits wird das dem Streufeld zugrunde liegende magnetische Moment gebraucht, um die Strukturen überhaupt bewegen zu können.

Den Forschern ist es nun gelungen, kleinen magnetischen Nanostrukturen eine „Tarnkappe“ aufzusetzen und zu beobachten, wie klein und schnell solche getarnten Bits sein können. Dazu wurden Atomsorten mit entgegengesetztem Drehsinn der Elektronen und damit entgegengesetztem magnetischem Moment kombiniert. Auf diese Weise lässt sich das magnetische Streufeld reduzieren oder sogar völlig abschalten - die einzelnen Atome in der Nanostruktur haben dabei aber immer noch ein magnetisches Moment, sie tragen quasi nur eine Tarnkappe.

Dennoch war es den Forschenden möglich, die kleinen Strukturen abzubilden. Sie bedienten sich dabei der Methode der Röntgenholografie, die es erlaubt, gezielt nur die magnetischen Momente einer einzigen Atomsorte sichtbar zu machen - so konnten die Strukturen ohne ihre Tarnkappe abgebildet werden.

Dabei zeigte sich, dass durch geschicktes Einstellen der Stärke der Tarnkappe zwei Dinge erreicht werden können, die für mögliche Anwendungen als Datenspeicher wichtig sind. „In unseren Bildern können wir sehr kleine, runde magnetische Strukturen erkennen“, erklärt Dr. Bastian Pfau vom MBI. „Die kleinsten Durchmesser, die wir gefunden haben, betragen nur 10 Nanometer“. Könnten diese Strukturen zur Datenspeicherung genutzt werden, ließe sich daher die Speicherdichte gegenüber heutigen Festplatten noch einmal deutlich erhöhen. In weiteren Messungen am MIT fanden die Forscher zudem heraus, dass sich getarnte Nanomagnete durch Strompulse besonders schnell bewegen lassen - eine wichtige Eigenschaft für eine mögliche Anwendung. So wurden Geschwindigkeiten von über einem Kilometer pro Sekunde erreicht.

„Dass dies möglich ist, ist eine Konsequenz der Quantenphysik“, erklärt Prof. Stefan Eisebitt vom MBI. „Der Beitrag der Drehbewegung eines Elektrons um den Atomkern zum magnetischen Moment ist nur halb so groß wie der Beitrag, den die Drehung des Elektrons um sich selbst liefert.“ Kombiniert man verschiedene Atomsorten mit unterschiedlichem Drehsinn der Elektronen in einem Festkörper, so kann man die Gesamtdrehung - die Physiker sprechen vom sogenannten Drehimpuls des Systems - daher auslöschen und dennoch ein kleines magnetisches Moment beibehalten. Da der Drehimpuls zu einer Abbremsung der Bewegung der magnetischen Strukturen durch Strompulse führt, lassen sich mit diesem Ansatz hohe Geschwindigkeiten erzielen. Gelingt es also, die Tarnkappe genau zu justieren, dann können die entstehenden magnetischen Nanostrukturen sowohl sehr klein sein als auch schnell bewegt werden - eine interessante Aussicht für neuartige Speichertechnologien auf der Basis magnetischer Nanostrukturen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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