Alltagsprodukte aus Plastik: Chemikalienmix aus schädlichen und unbekannten Substanzen

Alltagsprodukte aus Plastik: Chemikalienmix aus schädlichen und unbekannten Substanzen

Physik-News vom 17.09.2019
 

Forschungsgruppe PlastX weist mehr als tausend Chemikalien in Kunststoffprodukten nach. Drei von vier Produkten enthalten schädliche Substanzen.

Kunststoffprodukte sind allgegenwärtig und gelten in vielen Lebensbereichen als unverzichtbar, denn sie sind vielseitig und praktisch. Aber sind sie auch unbedenklich? Die Forschungsgruppe PlastX unter der Leitung des ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung hat Alltagsprodukte aus Plastik untersucht und festgestellt, dass Dreiviertel der Produkte schädliche Chemikalien enthalten. Darüber hinaus ist ein Großteil der Substanzen in diesem Chemiekalienmix nicht identifizierbar. Die Ergebnisse der Laborstudie erscheinen heute in der Zeitschrift Environmental Science & Technology.


Kühlprodukte in Plastikverpackungen

Publikation:


Lisa Zimmermann, Georg Dierkes Thomas A. Ternes, Carolin Völker, Martin Wagner
Benchmarking the in vitro toxicity and chemical composition of plastic consumer products
Environ. Sci. Technol.

DOI: 10.1021/acs.est.9b02293



Kein anderes Material ist so praktisch: Langlebig, temperaturbeständig, bruchfest und trotzdem elastisch ist Kunststoff massentauglich und entsprechend in Massen auf dem Markt. Dem formbaren Material, das überwiegend aus Erdöl in einem chemischen Verfahren hergestellt wird, werden je nach Typ und Anwendung verschiedene Zusatzstoffe beigesetzt. Dazu gehören Weichmacher, Stabilisatoren und Farbstoffe. Zudem entstehen während des Produktionsprozesses zahlreiche Neben- oder Abbauprodukte. „In dem komplexen Herstellungsprozess von Kunststoffen entsteht ein regelrechter Cocktail an Substanzen, von denen wir einen Großteil überhaupt nicht kennen“ sagt die Leiterin der Forschungsgruppe PlastX, Carolin Völker.

In einer Laborstudie haben die Wissenschaftler der Forschungsgruppe PlastX unter der Leitung des ISOE und in Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität Frankfurt und der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegen deshalb in 34 Alltagsprodukten aus Kunststoff die Chemikalien hinsichtlich ihrer Gesamttoxizität und ihrer Zusammensetzung untersucht. Die Wissenschaftler analysierten in der Laborstudie Produkte wie Joghurtbecher, Trink- und Shampoo-Flaschen aus acht verschiedenen Kunststofftypen. Um mögliche schädliche Effekte der Chemikalienmischung zu analysieren, wurden die Substanzen im Labor aus den Produkten herausgelöst und in Zelltests eingesetzt. Somit wurden erstmals in einer Laborstudie mehrere verschiedene Kunststofftypen in einer Reihe von Biotests kombiniert mit einer chemischen Analytik untersucht und miteinander verglichen. Die Ergebnisse der PlastX-Studie erscheinen heute in der Zeitschrift „Environmental Science and Technolgy“.

Drei von vier getestete Kunststoffprodukte enthalten schädliche Chemikalien

Die Studie lieferte mehrere wichtige Ergebnisse für die Forscherinnen und Forscher „Wir fanden in drei von vier getesteten Produkten schädliche Substanzen, darunter Chemikalien, die toxisch auf Zellen wirken oder endokrine, also hormonähnliche Effekte hervorrufen,“ berichtet Lisa Zimmermann, Erstautorin der Studie. Wir haben deutliche negative Auswirkungen in Zelltests beobachtet.Solche Chemikalien sollten nicht in Kunststoffen vorkommen sollten, auch wenn wir nicht wissen, wie sie sich auf unsere Gesundheit auswirken,“ resümiert Zimmermann.

In den Plastiktypen Polyvinylchlorid (PVC) und Polyurethan (PUR) fanden sich eine größere Anzahl von Chemikalien und die Effekte waren bedenklicher als etwa die in Polyethylen-terephthalat (PET). „Insgesamt hat uns die große Anzahl verschiedener Chemikalien überrascht, die wir in den getesteten Plastikprodukten nachweisen konnten“, berichtet die Ökotoxikologin Lisa Zimmermann. „Es waren insgesamt mehr als 1400 Chemikalien in den Produkten enthalten. In einzelnen Produkten fanden wir sogar mehr als hundert verschiedene Substanzen.

Von diesen 1400 Substanzen konnten im Labor nur 260 identifiziert werden. „Etwas mehr als 80 Prozent aller nachgewiesenen Substanzen konnten wir mithilfe chemischer Analysen nicht identifizieren,“ sagt Zimmermann. „Das heißt, wir wissen zum Großteil nicht, womit wir es in den Kunststoffprodukten zu tun haben. Und wenn wir die Chemikalien nicht kennen, können wir auch nicht bestimmen, ob sie sicher für Mensch und Umwelt sind“. Die Autorinnen und Autoren der Studie weisen darauf hin, dass deswegen die gesundheitlichen Auswirkungen von Chemikalien in Kunststoffen noch weitgehend unbekannt sind. Lediglich einzelne Chemikalien wie Bisphenol A, das gesundheitsgefährdend ist, sind bisher gut untersucht.

Was Verbraucherinnen und Verbraucher wissen müssen

„Nicht alle der getesteten Plastikprodukte enthielten giftige Chemikalien. Wir sehen also, dass es bereits unbedenklichere Alternativen auf dem Markt gibt“, stellt PlastX-Projektleiterin Carolin Völker fest. „Wie unsere Studie zeigt, kann ein Joghurtbecher giftige Chemikalien enthalten, während ein anderer frei davon ist.“ Weil dies jedoch beim Einkauf nicht zu erkennen sei, sei es wichtig, dass das Thema sicherer Kunststoffe auf die politische Agenda rücke. „Für die Kunststoffproduzenten sollte es verbindliche Auflagen geben, die Inhaltsstoffe transparent zu machen und die Unbedenklichkeit ihrer Produkte zu garantieren“, fordern die Forscherinnen und Forscher.

Nicht nur wegen der vielen Unbekannten - auch mit Blick auf das Problem Plastikmüll - hält das Forschungsteam die Vermeidung von Plastik als eine praktikable Strategie für Konsumenten. „Es gibt inzwischen viele Möglichkeiten, etwa beim Einkauf auf frische und unverpackte Lebensmittel zurückzugreifen, anstatt in Plastik verschweißte Produkte zu kaufen. „Sollte unter den Einkäufen dann aber doch mal ein in Plastik verpacktes Mikrowellenprodukt sein, sollte das Erhitzen in dieser Verpackung unbedingt vermieden werden“, warnt Ökotoxikologin Völker, „denn insbesondere die Hitze beschleunigt das Übertreten der Chemikalien aus dem Kunststoff in das Lebensmittel.“Andere Verpackungsalternativen wie etwa Papier oder Karton seien nicht unbedingt sicherer, denn auch hier können Chemikalien in Lebensmittel übertreten.

Vorsicht auch bei Alternativen aus Bioplastik

Als „grüne“ Alternativen zu herkömmlichen Kunststoffen sind seit einigen Jahren Produkte aus sogenanntem Bioplastik auf dem Markt. Sie werden nicht aus Erdöl, sondern pflanzlich aus Biomasse gewonnen.Doch auch hier erweisen sich Chemikalien als Problem: In der PlastX-Laborstudie wurden Produkte aus Polymilchsäure (PLA) untersucht, einem gängigen Biokunststoff. Alle diese Produkte enthielten schädliche Chemikalien. „Auch Biokunststoffe sind ja letztlich Kunststoffe, deren Polymere nur aus einer anderen Quelle stammen,“ sagt Lisa Zimmermann. “Es ist also naheliegend, dass ähnliche negative Effekte auftreten können.“ Um diese Effekte näher zu untersuchen, widmet sich die Forschungsgruppe PlastX derzeit in einer weiteren umfassenden Laborstudie Produkten aus Bioplastik.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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