Starke Magnetfelder am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße

Starke Magnetfelder am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße



Physik-News vom 30.03.2024

Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs Sagittarius A* (Sgr A*) ausgehen.

Dieser neue Blick auf das Gebilde, das im Herzen der Milchstraße ruht, zeigt erstmals in polarisiertem Licht eine Magnetfeldstruktur, die der des schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie M87 verblüffend ähnlich ist. Dies deutet darauf hin, dass starke Magnetfelder allen schwarzen Löchern gemeinsam sind. Zudem spricht diese Ähnlichkeit für einen verborgenen Jet in Sgr A*.


Diese Abbildung zeigt zum ersten Mal Sgr A*, das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie. Es ist der erste direkte visuelle Nachweis für die Anwesenheit dieses schwarzen Lochs. Es wurde vom Event Horizon Telescope (EHT) aufgenommen, einem Netzwerk, das acht bestehende Radioobservatorien auf der ganzen Welt zu einem einzigen virtuellen Teleskop von der Größe der Erde verbunden hat.

Publikation:


The Event Horizon Telescope Collaboration, Kazunori Akiyama et al.
First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. VII. Polarization of the Ring
ApJL 964 L25

DOI: 10.3847/2041-8213/ad2df0



Im Jahr 2022 stellten Wissenschaftler auf Pressekonferenzen in der ganzen Welt, darunter auch bei der Europäischen Südsternwarte (ESO), das erste Bild von Sgr A* vor. Zwar ist das supermassereiche schwarze Loch in der Milchstraße, das etwa 27 000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, mehr als tausendmal kleiner und weniger massereich als das von M87, dem ersten schwarzen Loch, das jemals abgebildet wurde.


Größenvergleich von zwei schwarzen Löchern: M87* und Sagittarius A**

Publikation:


The Event Horizon Telescope Collaboration, Kazunori Akiyama et al.
First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. VIII. Physical Interpretation of the Polarized Ring
ApJL 964 L26 (2024)

DOI: 10.3847/2041-8213/ad2df1



Die Beobachtungen zeigten jedoch, dass sich die beiden bemerkenswert ähnlich sehen. Dies veranlasste die Forschenden zu der Frage, ob die beiden über ihr Aussehen hinaus gemeinsame Merkmale aufweisen. Um dies herauszufinden, beschloss das Team, Sgr A* in polarisiertem Licht zu untersuchen. Frühere Untersuchungen des Lichts in der Umgebung des schwarzen Lochs M87 (M87*) ergaben, dass die Magnetfelder in der Umgebung es dem schwarzen Loch ermöglichen, kraftvolle Materialstrahlen zurück in die Umgebung zu schleudern. Darauf aufbauend haben die neuen Bilder gezeigt, dass dasselbe auch für Sgr A* gelten könnte.


Eine Weltkarte, die die Radio-Observatorien zeigt, die das Event Horizon Telescope (EHT) Netzwerk bilden, das für die Beobachtung des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße, Sagittarius A**, verwendet wurde.

„Wir sehen jetzt, dass es in der Nähe des schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße starke, verdrehte und geordnete Magnetfelder gibt“, sagt Sara Issaoun, Einstein-Stipendiatin des Hubble-Stipendienprogramms der NASA am Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian, USA, und Co-Leiterin des Projekts. „Zusammen mit der Tatsache, dass Sgr A* eine auffallend ähnliche Polarisationsstruktur aufweist wie das viel größere und stärkere schwarze Loch M87*, haben wir gelernt, dass starke und geordnete Magnetfelder entscheidend dafür sind, wie schwarze Löcher mit dem Gas und der Materie um sie herum wechselwirken.“


Diese Weitfeldaufnahme im sichtbaren Licht zeigt die dichten Sternwolken im Sternbild Schütze (lat. Sagittarius) in Richtung des Zentrums der Milchstraßengalaxie. Das gesamte Bild wird durch eine enorme Anzahl an Sternen ausgefüllt – aber noch deutlich mehr sind hinter Wolken aus Staub verborgen und sind nur auf Infrarotaufnahmen sichtbar.

Licht ist eine schwingende oder sich bewegende elektromagnetische Welle, mit der wir Objekte sehen können. Manchmal schwingt das Licht in einer bevorzugten Ausrichtung, die wir als „polarisiert“ bezeichnen. Obwohl uns überall polarisiertes Licht umgibt, ist es für das menschliche Auge kaum von „normalem“ Licht zu unterscheiden. Im Plasma um die schwarzen Löcher wirbeln die Teilchen um die Magnetfeldlinien und erzeugen ein Polarisationsmuster, das senkrecht zum Feld steht. Dadurch können Astronominnen und Astronomen die Vorgänge in den Bereichen um schwarze Löcher immer deutlicher erkennen und deren Magnetfeldlinien kartieren.

„Mit der Messung des polarisierten Lichts von heißem, glühendem Gas in der Nähe von schwarzen Löchern können wir direkt auf die Struktur und Stärke der Magnetfelder schließen, die den Strom von Gas und Materie durchziehen, welches das schwarze Loch aufsammelt und wieder ausstößt“, so Angelo Ricarte, Harvard Black Hole Initiative Fellow und Co-Leiter des Projekts. „Über das polarisierte Licht erfahren wir viel mehr über die Astrophysik, die Eigenschaften des Gases und die Prozesse, die beim Wachsen eines schwarzen Lochs ablaufen.“

Schwarze Löcher in polarisiertem Licht abzubilden, ist jedoch nicht so einfach, wie eine polarisierte Sonnenbrille aufzusetzen. Das gilt insbesondere für Sgr A*, das sich so schnell verändert, sodass es zu verwackelten Aufnahmen führen sollte. Um das supermassereiche schwarze Loch abzubilden, sind ausgefeilte Instrumente erforderlich, die weit über die hinausgehen, die bisher für die Aufnahme von M87*, einem viel ruhigeren Ziel, verwendet wurden. EHT-Projektwissenschaftler Geoffrey Bower vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh sagte: „Da sich während der Beobachtung Sgr A* bewegt, war es schon schwierig, nur ein unpolarisiertes Bild zu erstellen“, und fügte hinzu, dass das erste Bild aufgrund der Bewegung von Sgr A* ein Mittelwert aus mehreren Bildern war. „Wir waren erleichtert, dass die polarisierte Aufnahme überhaupt möglich war.“

Mariafelicia De Laurentis, stellvertretende EHT-Projektwissenschaftlerin und Professorin an der Universität Neapel Federico II, Italien, sagte: „Bei dieser Stichprobe von zwei schwarzen Löchern – mit sehr unterschiedlichen Massen und sehr unterschiedlichen Wirtsgalaxien – gilt es herauszufinden, worin sie übereinstimmen und worin sie sich unterscheiden. Da beide auf starke Magnetfelder hinweisen, könnte dieses Phänomen ein universelles und vielleicht grundlegendes Merkmal dieser Art von Systemen sein. Eine der Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden schwarzen Löchern ist womöglich ein Jet. Während wir bei M87* einen sehr offensichtlichen Jet beobachtet haben, konnten wir ihn bei Sgr A* bislang nicht finden.“

Um Sgr A* zu beobachten, verknüpfte die Kollaboration acht Teleskope auf der ganzen Welt zu einem virtuellen Teleskop in Erdgröße, dem EHT. Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), an dem die ESO beteiligt ist, und das von der ESO betriebene Atacama Pathfinder Experiment (APEX), beide im Norden Chiles, waren Teil des Netzwerks, das die Beobachtungen im Jahr 2017 durchführte.

„Als größtes und leistungsstärkstes Teleskop des EHT hat ALMA eine Schlüsselrolle bei der Erstellung dieses Bilds gespielt“, sagt María Díaz Trigo, Europäische ALMA-Programmwissenschaftlerin bei der ESO. „ALMA plant nun eine substanzielle Erweiterung, das Wideband Sensitivity Upgrade (Ausbau der Breitbandempfindlichkeit), das ALMA noch empfindlicher machen wird. Dadurch wird ALMA auch bei zukünftigen EHT-Beobachtungen von Sgr A* und anderen schwarzen Löchern eine wichtige Rolle spielen.“

Das EHT hat seit 2017 mehrere Beobachtungen durchgeführt und wird Sgr A* voraussichtlich im April 2024 erneut ins Visier nehmen. Jedes Jahr werden die Bilder besser, da das EHT neue Teleskope, größere Bandbreiten und neue Beobachtungsfrequenzen einsetzt. Die für das nächste Jahrzehnt geplanten Erweiterungen werden hochwertige Filme von Sgr A* ermöglichen, möglicherweise einen verborgenen Jet aufdecken und es Astronomen und Astronominnen ermöglichen, ähnliche Polarisationsmerkmale in anderen schwarzen Löchern zu beobachten. In der Zwischenzeit würde der Ausbau des EHT in den Weltraum schärfere Bilder von schwarzen Löchern liefern als je zuvor.


Diese Newsmeldung wurde mit Material Europäischen Südsternwarte ESO und des Max-Planck-Instituts für Astronomie erstellt.






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