Archimedes (Raumsonde)

Archimedes (Raumsonde)

Archimedes ist eine Ballonsonde, die zur Erforschung der Marsatmosphäre eingesetzt werden soll. Es handelt sich um einen mit Helium gefüllten, kugelförmigen Überdruckballon mit etwa zehn Metern Durchmesser, den die Mars Society Deutschland für den von der AMSAT-Deutschland geplanten Mars-Satelliten AMSAT P5A als Nutzlast konzipiert hat. Ein Mitflug ist auf anderen Marssatelliten möglich, an die Archimedes angepasst werden kann.

Konzept

Das Konzept von Archimedes ist, dass zur Untersuchung der Hochatmosphäre ein Ballon bereits im Weltraum aufgeblasen wird und beim folgenden Eintritt in die Marsatmosphäre als Hyperschall-Bremskörper wirkt, um anschließend die Atmosphäre auf einer niedrigeren Umlaufbahn wieder zu verlassen. Nach mehreren solcher Atmosphären-Durchflüge soll er in der Atmosphäre verbleiben und langsam zum Boden sinken. Dabei sollen Messinstrumente kontinuierlich während der Durchflug-Phasen und über den gesamten Verlauf des Abstiegs Messdaten der Atmosphäre im hypersonischen und subsonischen Bereich aufnehmen. Außerdem sollen das Restmagnetfeld des Mars vermessen und hochauflösende Bilder während des Abstiegs gemacht werden.

Die Sonde ist nach dem altgriechischen Naturwissenschaftler Archimedes von Syrakus benannt, der unter anderem das Schwimmprinzip entdeckt und die Gesetze der Hydro- und Aerostatik erkannt hat. Gleichzeitig stellt der Name die Abkürzung für eine zusammenfassende Beschreibung der Mission und ihrer Instrumente dar: Aerial Robot, Carrying High resolution Imaging, a Magnetometer Experiment and Direct Environment Sensors.

Entwicklung

Neben der Mars Society Deutschland e.V. und verschiedenen Instituten ist besonders die Universität der Bundeswehr München an diesem neuartigen Raumsonden-Projekt beteiligt. Die Projektleitung liegt beim dortigen Institut für Raumfahrttechnik, außerdem sind die Institute für Leichtbau, Thermodynamik, Werkstoffkunde und für Photogrammetrie und Kartographie beteiligt.

Die mobile Raketenbasis des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR-MoRaBa) stellt die Raketen und Startmöglichkeiten für die Raumflugversuche REGINA und MIRIAM zur Verfügung und ist damit ebenfalls ein maßgeblicher Partner der Mars Society Deutschland im Projekt Archimedes.

Maßgebliche Unterstützung erfährt das Projekt von der Firma IABG in Ottobrunn, die ihr Raumfahrttestzentrum für Versuche im Rahmen von Archimedes kostenlos zur Verfügung stellt, der Firma Lohmann Tapes Neuwied, welche eigens zur Herstellung des Ballons ein hochtemperaturbeständiges Klebeband entwickelt hat, sowie durch Sachspenden und Dienstleistungen zahlreicher weiterer Unternehmen.

Als Projekt der Mars Society Deutschland e.V. ist das Projekt Archimedes für eine möglichst breite Beteiligung von Studenten und Einzelpersonen angelegt.

Die bisherigen Untersuchungen sowie die an der Universität der Bundeswehr durchgeführten wissenschaftlichen Arbeiten zu Archimedes belegen die grundsätzliche Realisierbarkeit dieses Konzepts.

Der Start von ARCHIMEDES war ursprünglich für 2018 an Bord der P5-A Marssonde vorgesehen, ist jedoch zurzeit auf unbestimmte Zeit verschoben. Das P5-A Projekt wird wahrscheinlich nicht mehr realisiert, Archimedes kann aber grundsätzlich, wie oben erwähnt, auch mit anderen Marssonden mitfliegen. In diesem Fall würde sich das Gewicht von ARCHIMEDES jedoch von den ursprünglich berechneten 80 kg auf 100...120 kg erhöhen, da dann ARCHIMEDES ein eigenes Antriebssystem erhalten müsste, um ARCHIMEDES von der Satellitenbahn auf eine Mars-Eintrittsbahn steuern zu können.

Hintergrund

Forschungsballone werden auf der Erde seit langer Zeit in den verschiedensten wissenschaftlichen Bereichen eingesetzt. Aber auch auf anderen Planeten erscheint ihre Verwendung sinnvoll und möglich. Da ein Ballon während eines längeren Zeitraums alle Bereiche der Atmosphäre durchfahren kann, ermöglicht er dort direkte Messungen von Druck, Dichte und Atmosphärenströmungen von der Ionosphäre bis zum Boden sowie Bilder aus Perspektiven, die aus der Umlaufbahn oder von einer gelandeten Sonde aus nicht möglich sind. Durch die Verfolgung der Bahn, die der Ballon, nur vom Wind und den Temperaturverhältnissen gesteuert, nimmt, sind zusätzliche Rückschlüsse und wissenschaftliche Erkenntnisse möglich.

Während auf der Venus bereits im Jahr 1985 im Rahmen der sowjetischen VEGA-Missionen französische Ballons erfolgreich zum Einsatz kamen, scheiterten bisher alle Konzepte für einen Mars-Ballon an der wesentlich dünneren Atmosphäre des Planeten, die dem Ballonkörper nur sehr geringen Auftrieb bietet. Diese Atmosphäre erfordert einen relativ großen Ballon mit möglichst geringem Eigengewicht, um eine geeignete Nutzlast tragen zu können. Bei einer solchen Konstruktion sind wegen der dünnen Ballonhaut bei großer Fläche vor allem das Ballonmaterial sowie der Aufblasvorgang, der unter Weltraumbedingungen und ohne jedes menschliche Eingreifen erfolgen muss, eine technische Herausforderung. Verschiedene Untersuchungen und Experimente in der frühen Phase des Projekts hatten klar ergeben, dass das Aufblasen des Ballons sowohl während des Landeanflugs durch die Atmosphäre als auch von einem Landemodul auf der Marsoberfläche aus mit den vorhandenen Mitteln kaum realisierbar ist und ferner nicht die Möglichkeit bietet, Messdaten in größeren Höhen aufzunehmen.

Daher wurde für Archimedes ein völlig neuartiges Konzept gewählt. Hierbei wird der Ballon bereits im Weltraum aufgeblasen und dient beim Eintritt in die Atmosphäre selbst als Widerstandskörper. Da der Atmosphärendruck auf dem Mars nur etwa 10 mbar beträgt, muss der Ballon nur auf etwa 20 mbar aufgeblasen werden, um in der Marsatmosphäre voll aufgeblasen zu bleiben, diesen Innendruck hält ein Ballon auch mit einer sehr dünnen Ballonhaut aus, was eine leichte Bauweise ermöglicht.

Aufbau

Die Instrumente sind am „Südpol“ des Ballons in einem Instrumententräger untergebracht und mit einer „Nasenkappe“ so verkleidet, dass die Kugelform des Ballons erhalten bleibt. Die Verkleidung beherbergt spezielle Instrumente zur Untersuchung der Hochatmosphäre und des Strömungsfeldes bei den schnellen Atmosphärendurchflügen und schützt gleichzeitig die Instrumente für tiefere Atmosphärenschichten vor der Aufheizung während der Hyperschallphase. Kurz vor Erreichen der Schallgeschwindigkeit wird sie abgeworfen und gibt die übrigen Sensoren frei. Fallschirme oder Bremsraketen sind nicht notwendig und während des Fluges müssen keine kritischen Manöver mehr durchgeführt werden. Damit können sowohl der Aufbau des Raumfahrzeugs als auch das Missionsprofil deutlich vereinfacht werden. Die große Fläche und das geringe Eigengewicht des Ballons sorgen bereits in Atmosphärenschichten mit sehr geringer Dichte für eine hohe Abbremsung. Weiterhin verteilt sich die dabei entstehende Wärme auf eine vergleichsweise große Oberfläche.

Missionsverlauf

Der in den AMSAT-Satelliten P5-A integrierte Ballon könnte in seiner derzeitigen Konfiguration als Huckepack-Nutzlast der Marssonde P5-A zusammen mit kommerziellen Satelliten auf einer Ariane 5 gestartet werden und anschließend mit der Marssonde selbstständig Richtung Mars fliegen. Nachdem der P5-A am Mars angekommen ist und seinen endgültigen Orbit um den Planeten erreicht hat, wird Archimedes zusammen mit der Antriebseinheit des P5A, die auch die Heliumtanks und alle Vorrichtungen zum Aufblasen des Ballons enthält, abgetrennt und auf eine niedrigere Umlaufbahn abgebremst. P5-A bleibt auf seiner höheren Bahn und dient als Relaisstation für die Datenübertragung zur Erde.

Sobald die geeigneten Voraussetzungen gegeben sind – gutes Wetter, gesicherte Funkverbindung zur Erde, Eintritt auf der Tagseite des Planeten –, wird Archimedes noch weiter abgebremst, so dass der niedrigste Punkt der Umlaufbahn gerade innerhalb der Hochatmosphäre liegt. Noch vor Erreichen dieses Punktes wird der Ballon aufgeblasen und von der Antriebseinheit getrennt. Seine Bahn streift daraufhin die Marsatmosphäre, die ihn nach mehrmaligem Eintauchen schließlich so weit verlangsamt, dass er in der Atmosphäre verbleibt und zur Oberfläche absinkt. Ab dem Aufblasvorgang werden während der gesamten Mission wissenschaftliche Messungen durchgeführt und die Daten übertragen. Es wird damit gerechnet, dass der Ballon bereits in einer Höhe von etwa 50 bis 60 km die Schallgeschwindigkeit unterschreitet, so dass selbst die Wettersensoren über einen längeren Zeitraum zum Einsatz kommen und ein vollständiges Atmosphärenprofil über die Eintrittsbahn aufgezeichnet werden kann. Nach etwa 60 Minuten ist der Boden erreicht und die Mission beendet.

Instrumente

Die Instrumente werden von verschiedenen Instituten entwickelt. Der Instrumententräger von Archimedes enthält:

  • Hochauflösende Kamera vom Institut für Planetenerkundung, DLR Berlin.
  • Magnetometer zur Messung von Feldstärkeänderungen im Magnetfeld der Planetenkruste und zum Studium der Wechselwirkung des Planetenkörpers mit dem Magnetfeld des Sonnenwindes vom Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik der TU Braunschweig.
  • „Wetterpaket“ AtmosB, bestehend aus einem Thermometer, einem Barometer und einem Hygrometer vom Finnischen Meteorologischen Institut Helsinki.

Diese Wetterinstrumente kommen zum Einsatz, sobald die Nasenkappe, die den Instrumententräger beim Eintritt in die Atmosphäre und bei Hyperschallgeschwindigkeit schützt, abgesprengt wird, während das Magnetometer und die Kamera bereits von Anfang an Daten erfassen können.

Damit im Weltraum und während des Eintritts noch zusätzliche Experimente durchgeführt werden können, wird auch die Nasenkappe selbst mit Instrumenten ausgestattet:

  • AMS, Accelerometric Measurement System: Beschleunigungssensoren zur präzisen Messung der Abbremsung in der hohen Atmosphäre vom Institut für Computertechnik und theoretische Informatik der TU Iași sowie der Universität Pitești in Rumänien.
  • COMPARE Experiment zur Messung des Staudrucks und der Aufheizung des Hyperschallverdichtungsstosses, vom Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart.

Das Radio Ranging, mit dem die Flugbahn des Ballons verfolgt und ausgewertet wird, wird von der AMSAT Deutschland durchgeführt.

Stand der Ballonversuche

Folgende Flugversuche wurden bisher durchgeführt bzw. sind geplant:

  • Auf einer Parabelflugkampagne der ESA wurde im Jahr 2005 ein maßstabsgerechtes Modell des Auswurfmechanismus und des Ballons in der Schwerelosigkeit erfolgreich getestet
  • Beim Flugversuch REGINA (REsidual Gas INflation test for Archimedes) wurde 2006 ein Modell des Entfaltungssystems auf der Höhenforschungsrakete REXUS-3 von der Esrange in Kiruna, Schweden, in 90 km Höhe gebracht und unter Weltraumbedingungen getestet.
  • Im Oktober 2008 wurde ebenfalls in Kiruna der Flugversuch MIRIAM-1 (Main Inflated Reentry Into the Atmosphere Mission Test) durchgeführt, bei dem der komplette Funktionszyklus des Systems vom Aufblasen des Ballons bis zum Eintritt in die Atmosphäre einschließlich der Datenübertragung getestet werden sollte. Dazu wurde mit einer REXUS-4-Rakete der DLR-MoRaBa ein Ballon mit 4 m Durchmesser auf 140 km Höhe gebracht. Ein Eingriff in den Missionsablauf vom Boden in den Missionsablauf ist aufgrund der kurzen Missionszeit von nur etwa 6 Minuten nicht möglich. Die Mission war dann leider nur ein Teilerfolg. Aufgrund einer Fehlfunktion im Trennmechanismus von MIRIAM-1 wurde die Ballon-Aufblaseinheit zu spät abgetrennt und der Aufblasvorgang bei noch gepacktem Ballon gestartet, bis der Überdruck schließlich den Aufblas-Schlauch vom System trennte. Als sich das Flugsystem schließlich von der Rakete löste wurde der Ballon sofort freigesetzt und die Entfaltung erfolgte unkontrolliert und mit nur ca. 10 % der vorgesehenen Gasmenge. Bordelektronik, Software und Datenübertragung funktionierten wie vorgesehen. Obwohl damit die vollständige Ballonentfaltung und der anschließende Eintritt in die Atmosphäre nicht wie geplant zustande kamen, wurde durch die empfangenen Daten die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Entwurfs belegt.
  • Am 3. November 2015 wurden unter anderem Ballonauswurftests für MIRIAM-2 während eines Parabelflugs mit 31 Parabeln durchgeführt. Dabei hat sich der Ballon nur wenige Zentimeter aus dem Container bewegt. Es ergab sich dass die Federkraft des Auswurfmechanismus zu schwach war und verstärkt werden muss. Mit der verbesserten Version müssen dann neue Tests durchgeführt werden.
  • Durch die, aufgrund der Ergebnisse des Parabelflugs, erforderlichen Änderungen und zusätzlichen Tests wird sich der Start von MIRIAM-2 voraussichtlich auf November 2017 verschieben.
  • MIRIAM-2 wird wiederum mit einer Rakete der DLR-MoRaBa gestartet, die diesmal aber MIRIAM-2 auf eine Höhe von über 200 km transportieren wird. Dadurch verlängert sich die Missionszeit gegenüber MIRIAM-1, sodass mehr Zeit für die Trennung von MIRIAM-2 von der Rakete und den Aufblasvorgang zur Verfügung steht, was die Erfolgsaussichten der Mission verbessert. MIRIAM-2 wird gegenüber MIRIAM-1 einen wesentlich weiterentwickelten Ballon bekommen, der in Material, Fertigungsmethodik und Funktion weitgehend dem Marsballon entsprechen wird. Zahlreiche weitere Verbesserungen gegenüber MIRIAM-1 sollen das Gelingen der MIRIAM-2-Mission sicherstellen.

MIRIAM-1 und MIRIAM-2 sind komplexe Raumfahrtzeuge, da der Ballon zuerst einmal in eng verpacktem Zustand in den Raum transportiert werden muss. Dort muss der Ballon vollautomatisch entfaltet, stufenweise aufgeblasen und anschließend freigesetzt werden für seine eigentliche Mission, den Eintritt in die Erdatmosphäre. Die während dieser Missionsphase gewonnenen Messdaten sollen Aufschluss geben über das Verhalten des Ballons und damit die Machbarkeit der Marsmission belegen. Selbstverständlich stellt auch der Test der Systeme für den Transport und die Freisetzung des Ballons ein wesentliches Missionsziel dar.

Quellen

  1. Mars Society Deutschland [1]
  2. Archimedes Projekt der Mars-Society Deutschland: [2]
  3. Mars Society Deutschland Jahresrückblick 2015 [3]
  4. MIRIAM-2 Weltraumtest, von MIRIAM-1 zu MIRIAM-2: [4]
  5. Uni der BW: Projekt Archimedes
  6. Hannes Griebel: Archimedes schwebt auf den Mars. In: Sterne und Weltraum. 2007, H. 4, S. 36–42.
  7. Hannes Griebel: Projekt Archimedes: mit dem Ballon auf den Mars. In: Space 2009. Verein zur Förderung der Raumfahrt e.V., München 2008, S. 68–77.
  8. Dr. Hannes Griebel: Reaching High Altitudes on Mars With An Inflatable Hypersonic Drag Balloon (Ballute). ISBN 978-3-8348-9911-8.