Ein Quantenzeiger für die Laseruhr

Ein Quantenzeiger für die Laseruhr


Elektronen bewegen sich extrem schnell, Atomkerne sind deutlich träger. An der TU Wien wurde nun eine Methode entwickelt, mit der sich beide Bewegungen gleichzeitig untersuchen lassen.

Was passiert genau, wenn ein Molekül auseinanderbricht? Solche Phänomene kann man mit kurzen Laserpulsen untersuchen. Doch bei diesen Experimenten stößt man auf ein großes Problem: Man hat es mit sehr unterschiedlichen Zeitskalen zu tun. Die Elektronen bewegen sich so schnell, dass man sie auf einer Skala von Attosekunden (Milliardstel einer Milliardstelsekunde) untersuchen muss. Die schwereren Teilchen des Moleküls hingegen bewegen sich innerhalb einer Attosekunde fast überhaupt nicht. Wenn sie sich voneinander fortbewegen und das Molekül schließlich auseinanderbricht, kann man diese Dynamik nur auf einer viel größeren Zeitskala beobachten.


Václav Hanus im Labor.

Publikation:


Václav Hanus, Sarayoo Kangaparambil, Seyedreza Larimian, Martin Dorner-Kirchner, Xinhua Xie, Markus Schöffler, Gerhard Paulus, Andrius Baltuška, André Staudte, Markus Kitzler-Zeiler
Subfemtosecond tracing of molecular dynamics during strong-field interaction
Physical Review Letters (2019)

DOI: 10.1103/PhysRevLett.123.263201



An der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Wien wurde nun eine Methode entwickelt, die beide Zeitskalen gleichzeitig zugänglich macht. Dafür wird ein elliptisch polarisierter Laserpuls verwendet bei dem die Richtung des elektrischen Feldes wie der Zeiger einer Uhr rotiert. Die Dauer des Laserpulses ist lang genug, um das vergleichsweise langsame Auseinanderbrechen des Moleküls abbilden zu können, aber die Rotation des elektrischen Feldes – der Zeiger der Uhr – rotiert schnell genug, dass man ihn als Zeitreferenz für die ultraschnelle Dynamik der Elektronen verwenden kann. Beide Bewegungen hängen eng miteinander zusammen. Das Experiment wurde nun im Fachjournal „Physical Review Letters“ veröffentlicht. Dazu arbeitete das Team der TU Wien auch mit André Staudte vom National Research Council in Kanada zusammen.

Ein Wasserstoffmolekül wird kaputtgeschossen

„In unserem Experiment schießen wir mit einem Laserpuls auf ein Wasserstoffmolekül“, erklärt Markus Kitzler-Zeiler vom Institut für Photonik der TU Wien. Das Molekül besteht aus zwei Wasserstoffatomen – also zwei Protonen und zwei Elektronen. Das elektrische Feld des Laserpulses reißt ein Elektron heraus, innerhalb von Attosekunden verlässt es das Molekül und fliegt davon. Sobald ein Elektron fehlt, verändert sich auch die Bindung zwischen den übrigen Teilchen des Moleküls. Der Abstand zwischen den beiden Protonen wird größer. Wenn dann auch noch das zweite Elektron vom Laserpuls entfernt wird, dann stoßen die beiden Protonen einander ab, und das Molekül hat sich vollständig in seine Bestandteile zerlegt.

Weil jedes Proton aber ungefähr 1836 mal schwerer ist als ein Elektron, bewegen sie sich viel langsamer. Das Auseinanderdriften der Atome misst man in Femtosekunden oder gar Pikosekunden – das tausend- bzw. millionenfache einer Attosekunde. In menschlichen Maßstäben ist das freilich immer noch unvorstellbar kurz, aber der Unterschied zur ultraschnellen Dynamik der Elektronen ist so groß, dass es sehr schwierig ist, einen passenden Taktgeber zu finden, der sowohl die schnelle Bewegung der Elektronen als auch das langsamere Auseinanderbrechen der Atombindungen messen kann.

Polarisation als Quantenzeiger

Die Lösung lag in der Verknüpfung mehrerer Taktgeber. Der schnelle Taktgeber ist die Rotation des Lichtfeldes. „So ähnlich wie man einer Armbanduhr noch einen Sekundenzeiger hinzufügen kann, um kürzere Zeitintervalle zu messen, haben wir dem Laserpuls gewissermaßen einen Quanten-Zeiger hinzugefügt.“, sagt André Staudte. Wie beim Uhrzeiger dreht sich die Schwingungsrichtung des elliptisch polarisierten Laserlichts im Kreis, allerdings rasend schnell, nämlich innerhalb von 2,5 Femtosekunden einmal rundherum. Diese kontinuierliche Richtungsänderung kann man nutzen, um zu untersuchen, wie die schnelle Bewegung der Elektronen mit der langsamen Bewegung der Protonen zusammenhängt. Die zeitliche Entwicklung der langsameren Protonenbewegung lässt sich, wie das Forschungsteam zeigen konnte, aus der Energie der Protonen nach dem Molekülaufbruch ablesen.

„Wir konnten zeigen, wie die Energie der Protonen mit der Kreisbewegung des Polarisationszeigers zusammenhängt“, sagt Markus Kitzler-Zeiler. „Eine wichtige Rolle spielt der genaue Zeitpunkt, zu dem die Elektronen das Molekül verlassen: Ihre Bewegung hängt davon ab, in welche Richtung der Polarisationszeiger genau in diesem Moment zeigt. Und die Elektronenbewegung entscheidet dann wiederum darüber, wie sich die Protonen bewegen. Diese Verknüpfung ermöglicht es uns, ganz unterschiedliche Bewegungsmuster von Elektronen und Protonen im Molekül während des Auseinanderbrechens zu unterscheiden.“

Präzisionsbilder von der Quantenwelle

Nach den Gesetzen der Quantenphysik hat jedes Teilchen auch Welleneigenschaften – das gilt auch für die Protonen im Molekül. Mit der neuen Methode ist es nun möglich, die Quantenwelle der Protonen mit bemerkenswerter Genauigkeit zu messen: „Wir können die Quantenwelle mit einer Auflösung von einem Pikometer messen, das ist ein Hundertstel vom Durchmesser eines Wasserstoffatoms. Die zeitliche Auflösung der Methode mit der Rotation des Lichtfeldes ist ebenfalls sehr hoch und liegt bei wenigen Attosekunden.“, sagt Markus Kitzler-Zeiler. „Wir können also extrem scharfe Bilder von der Bewegung der Protonen aufnehmen.“

„Unser Experiment zeigt, dass die Methode funktioniert: Man kann elliptisch polarisierte Laserpulse verwenden, um elektronische und atomare Dynamik gleichzeitig sichtbar zu machen“, sagt Markus Kitzler-Zeiler. „Wir haben dafür ein Wasserstoffmolekül verwendet, weil man dieses einfache Molekül sehr gut kennt – aber nun kann man die Methode auch für kompliziertere Moleküle anwenden. Die Präzision unserer Methode reicht aus, um wichtigen Fragen der Molekülphysik gezielt nachgehen zu können“, ergänzt André Staudte.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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