Die Taktgeber der Sonne

Die Taktgeber der Sonne

Physik-News vom 11.06.2021
 

Nicht nur der prägnante 11-Jahres-Zyklus, auch alle weiteren periodischen Aktivitätsschwankungen der Sonne können durch Anziehungskräfte der Planeten getaktet sein. Mit neuen Modellrechnungen unterbreiten Forschende erstmals einen Vorschlag für eine umfassende Erklärung aller wichtigen bekannten Sonnenzyklen. Die längsten Aktivitätsschwankungen über tausende Jahre entlarven sie dabei als chaotischen Prozess. Trotz der planetaren Taktung der kurzen und mittleren Zyklen werden Langzeitprognosen der Sonnenaktivität somit unmöglich.

Seit langem fahnden Physiker weltweit nach zufriedenstellenden Erklärungen für die vielen zyklischen, sich überlagernden Aktivitätsschwankungen der Sonne. Denn neben dem bekanntesten, etwa elfjährigen „Schwabe-Zyklus“ zeigt die Sonne auch längere Schwankungen von hunderten bis tausenden von Jahren. Sie folgt dabei insbesondere dem „Gleißberg-Zyklus“ (etwa 85 Jahre), dem „Suess-de Vries-Zyklus“ (etwa 200 Jahre), und dem Quasi-Zyklus der „Bond-Ereignisse“ (etwa aller 1500 Jahre), jeweils nach ihren Entdeckern benannt. Unumstritten ist, dass das Sonnenmagnetfeld diese Aktivitätsschwankungen steuert.

Warum sich das Magnetfeld aber überhaupt ändert, dafür gehen Erklärungen und Modelle in Fachkreisen teils weit auseinander. Ist die Sonne „fremdgesteuert“ oder liegt der Grund für die vielen Zyklen in besonderen Eigenarten des Sonnendynamos selbst? Auch HZDR-Forscher Frank Stefani und seine Kolleginnen und Kollegen suchen seit einigen Jahren nach Antworten – vor allem auch auf die sehr kontrovers diskutierte These, ob Planeten eine Rolle für die Sonnenaktivität spielen.


Aktive Regionen in Hülle und Fülle: Im Mai 2015 zeigte die Sonne über einen Zeitraum von fünf Tagen etwa ein Dutzend aktiver Regionen.

Publikation:


F. Stefani, R. Stepanov, T. Weier
Shaken and stirred: When Bond meets Suess-de Vries and Gnevyshev-Ohl
Solar Physics, 2021

DOI: 10.1007/s11207-021-01822-4



Rosettenbewegung der Sonne kann 193-Jahre Zyklus hervorrufen

Zuletzt haben die Forscherinnen und Forscher die Bahnbewegung der Sonne näher betrachtet. Die Sonne steht nicht fest im Zentrum des Sonnensystems: Sie führt eine Art Tanz im gemeinsamen Schwerefeld mit den massereichen Planeten Jupiter und Saturn aus – und zwar in einem Takt von 19,86 Jahren. Von der Erde ist bekannt, dass das Herumschleudern auf ihrer Bahn kleine Bewegungen im flüssigen Erdkern auslöst. Etwas Ähnliches geschieht auch im Inneren der Sonne, wurde aber bislang im Hinblick auf ihr Magnetfeld vernachlässigt.

Die Idee der Forscherinnen und Forscher: Ein Teil des Bahndrehmoments der Sonne könnte sich auf ihre Rotation übertragen und somit den inneren Dynamoprozess beeinflussen, durch den das Sonnenmagnetfeld entsteht. Denn eine solche Kopplung würde ausreichen, die extrem empfindliche magnetische Speicherfähigkeit der Tachokline zu verändern, einer Übergangsregion zwischen unterschiedlichen Arten des Energietransports im Inneren der Sonne. „Die aufgewickelten Magnetfelder könnten dann leichter zur Oberfläche der Sonne herausschnipsen“, erläutert Stefani.

Die Forscherinnen und Forscher integrierten eine solche rhythmische Störung der Tachokline in ihre bisherigen Modellrechnungen eines typischen Sonnendynamos – und konnten dadurch gleich mehrere, aus den Beobachtungen bekannte, zyklische Phänomene reproduzieren. Das Bemerkenswerteste: Neben dem 11,07 Jahre langen Schwabe-Zyklus, den sie bereits in vorhergehenden Arbeiten modelliert hatten, veränderte sich die Stärke des Magnetfeldes jetzt zusätzlich in einem Takt von 193 Jahren – dies könnte der Suess-de Vries-Zyklus der Sonne sein, der aus Beobachtungen mit 180 bis 230 Jahren angegeben wird. Rechnerisch entstehen die 193 Jahre als eine sogenannte Schwebungsperiode zwischen dem 19,86-Jahres-Takt und dem zweifachen Schwabe-Zyklus, auch Hale-Zyklus genannt. Damit wäre der Suess-de Vries-Zyklus das Ergebnis einer Kombination von zwei äußeren Taktgebern – den Gezeitenkräften der Planeten und der Eigenbewegung der Sonne im Schwerefeld des Sonnensystems.

Planeten als Metronom

Für den 11,07-Jahres-Zyklus hatten die Forscherinnen und Forscher um Stefani bereits zuvor starke statistische Hinweise gefunden, dass dieser einer äußeren Uhr folgen muss. Diese „Uhr“ verknüpften sie mit den Gezeitenkräften der Planeten Venus, Erde und Jupiter. Deren Wirkung ist am stärksten, wenn die Planeten in einer Linie stehen: Eine Konstellation, die alle 11,07 Jahre auftritt. Wie für den 193-Jahres-Zyklus, war auch hier ein empfindlicher physikalischer Effekt entscheidend, um eine ausreichende Wirkung der schwachen Gezeitenkräfte der Planeten auf den Sonnendynamo auszulösen.

Nach anfänglicher Skepsis gegenüber der Planetenhypothese geht Stefani inzwischen davon aus, dass diese Zusammenhänge nicht zufällig sind. „Wenn die Sonne uns hier einen Streich spielen sollte, dann mit einer unglaublichen Perfektion. Oder aber wir haben in der Tat eine erste Ahnung von einem kompletten Bild der kurzen und langen Zyklen der Sonnenaktivität.“ Tatsächlich bekräftigen die aktuellen Ergebnisse auch rückwirkend nochmals, dass der 11-Jahres-Zyklus ein getakteter Prozess sein muss. Andernfalls wäre das Entstehen einer Schwebungsperiode mathematisch unmöglich.

Abkippen ins Chaos: Einbrüche alle 1000-2000 Jahre nicht genauer vorhersagbar

Neben den eher kürzeren Aktivitätszyklen zeigt die Sonne auch Langzeittrends im Tausend-Jahre Bereich. Diese sind durch länger andauernde Aktivitätseinbrüche, sogenannte „Minima“, geprägt, wie zuletzt das „Maunder-Minimum“ zwischen 1645 und 1715 während der sogenannten kleinen Eiszeit. Durch statistische Analyse der beobachteten Minima konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass es sich bei diesen jedoch nicht um einen zyklischen Prozess handelt, sondern ihr Auftreten im Abstand von etwa tausend bis zweitausend Jahren einem mathematischen Zufallsprozess folgt.

Um dies im Modell zu überprüfen, erweiterten die Forscherinnen und Forscher ihre Simulationen des Sonnendynamos auf einen längeren Zeitraum von 30.000 Jahren. Tatsächlich zeigten sich neben den kürzeren Zyklen alle 1000 bis 2000 Jahre irreguläre, plötzliche Einbrüche der magnetischen Aktivität. „Wir sehen in unseren Simulationen, wie sich eine Nord-Süd-Asymmetrie aufbaut, die irgendwann zu stark wird und aus dem Takt gerät, bis alles zusammenbricht. Das System kippt ins Chaotische und benötigt dann wieder eine Weile, in den Takt zurückzufinden“, erläutert Stefani. Dieses Ergebnis bedeutet aber auch, dass sehr langfristige Prognosen der Sonnenaktivität, etwa für ihren Einfluss auf Klimaentwicklungen, grundsätzlich kaum möglich sind.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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