Die Jagd nach dem Gravitationswellenhintergrund

Die Jagd nach dem Gravitationswellenhintergrund

Physik-News vom 07.04.2022
 

Die Kollision supermassereicher schwarzer Löcher in den Zentren wechselwirkender Galaxien füllt das Universum mit niederfrequenten Gravitationswellen. Mit großen Radioteleskopen wurde bereits nach diesen Wellen gesucht, um die Auswirkungen dieser Raumzeitwellen auf die Pulsperioden von Pulsaren in der Milchstraße zu beobachten. Ein internationales Forscherteam hat gezeigt, dass auch hochfrequente Gammastrahlung für diese Suche genutzt werden kann. Gammastrahlen anstelle von Radiowellen ermöglichen einen klareren Blick auf die Pulsare und bietet eine unabhängige Möglichkeit zum Nachweis von Gravitationswellen.

Ein Meer von Gravitationswellen

Im Herzen der meisten Galaxien – das sind Ansammlungen von Hunderter Milliarden von Sternen wie unsere eigene Milchstraße - befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch. Galaxien werden durch ihre heftige Gravitation zueinander hingezogen, und bei ihrer Verschmelzung sinken die zentralen schwarzen Löcher in das neue Zentrum. Wenn diese sich nun spiralförmig nach innen bewegen und selbst miteinander verschmelzen, erzeugen sie extrem langwellige Gravitationswellen mit Hunderten von Billionen von Kilometern oder mehreren Lichtjahren Abstand zwischen den Wellenkämmen. Das Universum ist voll von solchen verschmelzenden supermassereichen schwarzen Löchern, und sie füllen es mit einem Meer von niederfrequenten Raumzeitwellen.


Das Fermi-Teleskop sammelt Gammastrahlen von Millisekunden-Pulsaren. Ein Meer von niederfrequenten Gravitationswellen von Paaren supermassereicher schwarzer Löcher führt dazu, dass die Photonen von den Pulsaren zeitverschoben eintreffen.

Publikation:


The Fermi-LAT Collaboration
A Gamma-ray Pulsar Timing Array Constrains the Nanohertz Gravitational Wave Background
Science (2022)

DOI: 10.1126/science.abm3231



Astronomen suchen seit Jahrzehnten nach diesen Wellen, indem sie die Pulse von Pulsaren, den dichten Überresten massereicher Sterne, systematisch beobachten. Pulsare rotieren mit extremer Regelmäßigkeit, und die Astronomen wissen genau, wann jeder Puls zu erwarten ist. Das Meer der Gravitationswellen verändert jedoch auf subtile Weise den Zeitpunkt, an dem die Impulse die Erde erreichen, und die genaue Beobachtung vieler Pulsare am Himmel kann ihre Anwesenheit aufdecken.

Bei der bisherigen Suche nach diesen Wellen wurden ausschließlich große Radioteleskope eingesetzt, die Radiowellen sammeln und analysieren. Nun hat ein internationales Team von Wissenschaftlern diese winzigen Schwankungen der Raumzeit in Daten der Gammastrahlung gesucht, die über mehr als zehn Jahre mit dem Fermi-Satelliten der NASA aufgenommen wurden. Ihre Analyse zeigt, dass der Nachweis dieser Wellen mit nur wenigen Jahren zusätzlicher Beobachtungen bereits möglich sein könnte.

"Fermi untersucht das Universum mit Gammastrahlen, der energiereichsten Form des Lichts. Wir waren überrascht, wie gut es die Art von Pulsaren aufspürt, die wir für die Suche nach diesen Gravitationswellen benötigen - bisher haben wir mehr als 100 gefunden", so Matthew Kerr, ein Wissenschaftler am U.S. Naval Research Laboratory in Washington. "Das Fermi-Teleskop und die Gammastrahlen haben einige besondere Eigenschaften, die sie zusammen zu einem sehr mächtigen Werkzeug bei dieser Untersuchung machen.“

Kosmische Uhren

Licht nimmt viele Formen an. Niederfrequente Radiowellen können einige Objekte durchdringen, während hochfrequente Gammastrahlen in energetische Teilchenschauer explodieren, wenn sie auf Materie treffen. Gravitationswellen decken ebenfalls ein breites Spektrum ab, wobei massereichere Objekte tendenziell längere Wellen erzeugen.

Da es unmöglich ist, einen Detektor zu bauen, der groß genug ist, um Wellen mit Billionen von Kilometern Wellenlänge aufzuspüren, die von miteinander verschmelzenden supermassereichen schwarzen Löchern erzeugt werden, verwenden die Astronomen in der Natur bereits vorhandene Detektoren in Form sogenannter Pulsar-Timing-Arrays. Dabei handelt es sich um Ansammlungen von Millisekunden-Pulsaren, die sowohl in Radiowellen als auch in Gammastrahlen leuchten und sich jede Sekunde Hunderte von Malen um ihre Achse drehen. Wie Leuchttürme scheinen diese Strahlen regelmäßig zu pulsieren, wenn sie über die Erde hinwegziehen, und wenn sie durch das Meer der Gravitationswellen hindurchgehen, wird ihnen das schwache Grollen entfernter, massereicher schwarzer Löcher aufgeprägt.

Einzigartige Messtechnik

Ursprünglich wurden Pulsare mit Hilfe von Radioteleskopen entdeckt, und Pulsar-Timing-Array-Experimente mit Radioteleskopen sind seit fast zwei Jahrzehnten in Betrieb. Die großen Parabolspiegel sind am empfindlichsten für die Auswirkungen von Gravitationswellen, aber interstellare Effekte erschweren die Analyse der Radiodaten. Das Weltall ist größtenteils leer, aber beim Durchqueren der riesigen Entfernung zwischen einem Pulsar und der Erde treffen die Radiowellen immer noch auf viele Elektronen. Ähnlich wie ein Prisma das sichtbare Licht beugt, verbiegen die interstellaren Elektronen die Radiowellen und verändern so ihre Ankunftszeit. Die energiereichen Gammastrahlen werden auf diese Weise nicht beeinflusst, so dass sie eine ergänzende und unabhängige Methode des „Pulsar Timings“ darstellen.

"Die Fermi-Ergebnisse sind bereits 30 % so gut wie die Pulsar-Timing-Arrays im Radiobereich, wenn es darum geht, den Gravitationswellenhintergrund nachzuweisen", sagt Aditya Parthasarathy. "Wenn wir weitere fünf Jahre lang Pulsardaten sammeln und analysieren, wird das System genauso gut sein, mit dem zusätzlichen Vorteil, dass wir uns keine Sorgen um all die verirrten Elektronen machen müssen."

"Der Nachweis des Gravitationswellenhintergrunds mit Pulsaren ist in Reichweite, bleibt aber schwierig. Eine unabhängige Methode, wie sie hier unerwartet durch Fermi gezeigt wurde, ist eine großartige Neuigkeit, sowohl für die Bestätigung zukünftiger Ergebnisse als auch für die Demonstration von Synergien mit Radioexperimenten", schließt Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung „Radioastronomische Fundamentalphysik“.



Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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