Tieftemperaturphysik

Tieftemperaturphysik

Die Tieftemperaturphysik ist ein Teilgebiet der Physik, der sich mit Vorgängen in kalter Materie befasst. Der betrachtete Temperaturbereich liegt in der Nähe des absoluten Nullpunkts der Temperaturskala, d. h. nahe an 0 Kelvin (−273,15 Grad Celsius). Es gibt keine genau definierte Temperatur, ab der man von Tieftemperaturphysik spricht. Experimente sind jedoch meist mit der Verwendung von Kryoflüssigkeiten wie flüssigem Stickstoff (Siedepunkt: 77,4 K) oder flüssigem Helium (Siedepunkt: 4,21 K) verknüpft. Unter 1 K spricht man oft von ultratiefen Temperaturen.

Geschichte

Mit dem Erreichen immer tieferer Temperaturen waren oft grundlegende Entdeckungen verknüpft (z. B. die der Supraleitung). Als Begründer der modernen Tieftemperaturphysik gilt Heike Kamerlingh Onnes, dem 1908 in Leiden erstmals die Verflüssigung von Helium gelang. 2017 gelang es Schweizer Physikern, einen Chip auf weniger als 3 mK über eine Zeit von sieben Stunden abzukühlen.[1]

Methoden zum Erreichen tiefer Temperaturen

  • Kühlkreislauf nach Carl von Linde, siehe Gegenstromprinzip (Verfahrenstechnik)
  • Gasverflüssigung nach Carl von Linde, siehe Joule-Thomson-Effekt
  • Gaskreislaufkühlung
  • Verdampfungskühlung
    Temperaturbereich: Einige 100 Millikelvin.
  • Kühlung mit Hilfe des Pomeranchuk-Effekts
    Temperaturbereich: Wenige Millikelvin.
  • 3He-4He-Entmischungskühlung
    Temperaturbereich: Wenige Millikelvin.
  • Magnetische Kühlung
    Temperaturbereich: Wenige Millikelvin bis hinab zu einigen Mikrokelvin (μK).
  • Laserkühlung, Sisyphuskühlung
  • Evaporative Kühlung

Vorgänge bei tiefen Temperaturen

  • Supraleitung
    Viele Stoffe verlieren bei tiefen Temperaturen ihren elektrischen Widerstand.
  • Suprafluidität
    3He und 4He können bei ausreichend tiefen Temperaturen reibungsfrei fließen.
  • Bose-Einstein-Kondensation

Messung tiefer Temperaturen

Es ist bislang keine Methode bekannt, mit der die thermodynamische Größe der Temperatur direkt gemessen werden kann. Zur Bestimmung von tiefen Temperaturen werden deshalb vor allem der Dampfdruck von verflüssigten Gasen (He, H2, N2 etc.) herangezogen. Dies geschieht bei der derzeit gültigen Temperaturskala ITS-90, die den Bereich 0,65 bis 1350 K abdeckt. Für noch tiefere Temperaturen gibt es die provisorische PLTS-2000-Skala, welche bis zu 0,9 mK hinab, der Néel-Temperatur in festem 3He, reicht. Zur Messung der Temperatur können, je nach Messbereich und experimentellen Möglichkeiten, unterschiedliche Primärthermometer oder Sekundärthermometer eingesetzt werden.

Literatur

  • Christian Enss, Siegfried Hunklinger: Tieftemperaturphysik. Springer, Berlin, Heidelberg 2000, ISBN 3540676740
  • Guy K. White, Philip J. Meeson: Experimental Techniques in Low-Temperature Physics. Oxford University Press, ISBN 0-19-851427-1
  • Kurt Mendelssohn: The quest for absolute zero - the meaning of low temperature physics. Taylor & Francis, London 1977, ISBN 0-85066-119-6
  • Yasu Takano: Low temperature physics.AIP Press, Melville 2006, ISBN 0-7354-0347-3
  • Jack W. Ekin: Experimental techniques for low-temperature measurements. Oxford Univ. Pr., Oxford 2007, ISBN 978-0-19-857054-7
  • Christian Enss: Cryogenic particle detection. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-20113-0
  • Henk T. C. Stoof et al.: Ultracold quantum fields. Springer, Dordrecht 2009, ISBN 978-1-4020-8762-2

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Schweizer Forscher brechen mit Chip den Kälterekord. In: science.orf.at. 20. Dezember 2017, abgerufen am 1. November 2018.